Station: [16] Edvard Munch: "Mondschein I", 1896


Der große Holzschnitt „Mondschein I“ präsentiert einen eng gefassten Bildausschnitt: In dem fast quadratischen Bildformat wird der Betrachter frontal mit einer Frau konfrontiert, deren Kopf und Schulterpartie auf vorderster Bildebene erscheint. Der Schatten ihrer Körpersilhouette fällt auf die Hauswand, unweit eines Fensters, dessen hellgrün gestrichener Rahmen im Mondlicht leuchtet. Rechts von ihr ragt ein dichtbelaubter Baum ins Bild. Die senkrecht verlaufende Maserung des hölzernen Druckstocks verleiht ihrem fahlen Gesicht einen rätselhaften Ausdruck. Der in fünf Farben, schwarz, grau, ocker-, hell- und dunkelgrün ausgeführte Holzschnitt war erst der zweite, den Munch in dieser Technik ausgeführt hat, die er erst 1895 für sich als neuen Ausdrucksträger entdeckt hat. Die Größe des Bildes verweist darauf, dass Munch die Arbeit wie ein Gemälde als eigenständiges Werk bewertet hat. Die Bildfigur stellt Milly Thaulow dar, zu der Munch eine schwierige Liebesbeziehung hatte, denn sie war mit Munchs Vetter, dem Militärarzt Carl Thaulow, verheiratet und hatte mit ihm drei Kinder. Die Treffen zwischen Munch und ihr fanden in der Nacht statt. Die Beziehung endete 1889, in dem Jahr, in dem Munch das im Bild dargestellte Fischerhaus erstmalig gemietet hatte. Begehren, Heimlichkeit, Erotik – viele psychologische Komponenten werden im Holzschnitt gespiegelt.