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An kirchlichen Feiertagen ging es hoch her: Da versammelten sich alle Vertreter der Wiedenbrücker Berufe unter ihrem Banner, zogen feierlich durch die Stadt und schließlich in die Kirche ein. Ihren Patron trugen sie auf einem Banner vorne weg: Die Schmiede verehrten den Apostel Paulus, die Schuhmacher die Brüder Crispin und Crispinian, die Schreiner den heiligen Josef…

Sieben Zünfte – in Westfalen „Ämter“ genannt – gab es bis zum 19. Jahrhundert in Wiedenbrück und ihre Banner künden von ihrem Stolz auf die Tradition. Die roten Amtsfahnen aus Seidendamast mit dem Bildnis ihrer Patrone wurden an den so genannten „Stäffken“ befestigt, den üppig verzierten Tragestäben, die Sie rechts neben der Vitrine sehen. Ganz oben, über der verzierten Kartusche, thronte eine mächtige Kerze, die den Zunftbrüdern den Weg leuchtete, wenn sie gemeinsam durch die Stadt zogen.

Mehrere Ämter sind seit dem 15. Jahrhundert belegt und einige leben bis heute fort. Lange nach dem Niedergang des Zunftwesens werden die alten Traditionen weitergepflegt – in halbjährlichen Sitzungen beispielsweise, in denen die Belange des Amtes besprochen und die Protokolle in die jahrhundertealten Amtsbücher eingetragen werden.

Das Schmiedeamt, das seit dem 16. Jahrhundert belegt ist, hält seine Sitzungen noch heute ab. Dieses Amt existiert noch, allerdings nennen sich die einstigen Schmiede heute „Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik“.

In den Ämtern organisierten sich die einzelnen Berufsgruppen, legten Ausbildungsinhalte und Qualitätsstandards fest und übernahmen auch soziale Aufgaben, wie beispielsweise die Versorgung der Waisen und Witwen ihrer verstorbenen Amtsbrüder. Wenn ein Amtsmitglied starb, waren alle anderen verpflichtet, zur Beerdigung zu erscheinen, sonst drohte der Ausschluss. Den Künstler Anton Mormann, dessen Schnitzwerke Sie vielleicht schon im ersten Stockwerk bewundert haben, ereilte genau dieses Schicksal: Nachdem er sich auf zwei Beerdigungen entschuldigen lassen musste, weil er seine Werke außerhalb Wiedenbrücks auslieferte, wurde er des Amtes verwiesen. Strenge Sitten!

Am Ende des 19. Jahrhunderts kam dies allerdings nicht mehr einem Berufsverbot gleich, wie noch in den Jahrhunderten zuvor.

Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum