Station: [14] Glühender Meeresabend, 1949


Der Ort bleibt immer derselbe und doch sieht er jeden Tag anders aus: Das Sonnenlicht wirkt immer wieder anders, der Wind verändert sich, ebenso das Wasser und, zumal an der Nordsee, auch das Land. Für seine Meeresbilder sucht Nolde meist die Momente, in denen sich die Elemente in besonderer Bewegung befinden. Dies trifft auch für sein Gemälde Glühender Meeresabend zu, das im Jahr 1949 entsteht und zu Noldes letzten Ölgemälden gehört. Unter einem wolkenverhangenen, blutroten Himmel kreuzen ein Dampfer und zwei Segelschiffe. Auch wenn sich Noldes späte Arbeiten meist durch besonders harmonische Bild- und Farbkompositionen auszeichnen, realisiert der Künstler bis zuletzt auch Gemälde, in denen er die Farben in starken Kontrasten auf die Leinwand setzt. In keinem anderen der in dieser Ausstellung gezeigten Meeresbilder notiert Nolde so intensiv das Zusammenspiel der drei Grundfarben Rot, Gelb und Blau. Doch es sind nicht nur die Farben als solche, sondern auch ihre Verteilung auf der Bildfläche, die Nolde genau kalkuliert: Die dunkle Welle vorne verläuft leicht diagonal, die dunkle Wolke, die das Bild im oberen Bereich verdüstert, tut dies ebenso. Das markante rote Wolkenband liegt hingegen ganz waagerecht und damit parallel zur Bildkante. Die Sonne, die im hinteren Bildgrund erscheint, wirft ihr grün-gelbes Licht im vorderen rechten Bildbereich in das Wasser hinein. Eigenartigerweise, und das ist Noldes Kunstgriff, schafft sie es nicht, das kräftige Rot zu durchbrechen.