Station: [5] Göttelbriefzimmer


Zitator: Du bist, oh liebes Kind, in Christi Tod getauft
Der dich mit seinem Blut hat von der Höll erkauft
Des zur Erinnerung und stetem Angedenken
Hab ich nach deiner Tauf‘ dir dieses wollen schenken.

F: Wenn früher ein Kind getauft wurde, hatte es vier Paten: zwei Frauen – die Gettel – und zwei Männer: die Pfedderi.

M: Und da man zu einem Fest wie der Taufe nicht mit leeren Händen kommt, brachten Patentanten und Patenonkel dem Täufling Geldgeschenke… und natürlich gute Wünsche.

F: Und die wurden auf schöngestalteten Papierbögen niedergeschrieben, in denen die Münzen eingewickelt waren – die so genannten Göttelbriefe. In einfachen, volkstümlichen Versen hielten die Briefe das wichtige Ereignis fest und schmückten es mit farbenfrohen Verzierungen aus.

M: Religiöse Motive wie Friedenstauben, Engel oder der segnende Gottvater waren ebenso beliebt wie Herzen, Vögel oder Tulpen, die das gebende Element symbolisieren. Die Göttelbriefe wurden dem Kind in die Wiege gelegt, „damit es nicht leer vor Gott erscheine“, denn die Kindersterblichkeit war hoch.

F: Überlebte der Täufling, so begleitete ihn seine Göttelbriefe ein Leben lang – sie galten als Talismane und ihnen wurde eine besondere Schutzkraft zugeschrieben.

M: Der älteste Brief in unserer Sammlung stammt aus dem Jahr 1746 und wurde wahrscheinlich vom Altenheimer Lehrer angefertigt. Denn oft genug waren die Taufpaten des Lesens und Schreibens nicht kundig. So verdienten sich Lehrer, Geistliche oder Gemeindeschreiber ein kleines Zubrot für das Verfassen der Briefe.

F: Ihre Gestaltung variiert: von einfachen, fast naiven Zeichnungen und Malereien, über Nadelstichkopien bis hin zu Holzschnitten, die eine einfache Vervielfältigung ermöglichten. Und auch die Entstehungszeit ist an den Briefen abzulesen: Weist der früheste Brief noch eine feierliche, zweifarbige Strenge auf, so entwickeln sich im Laufe der Zeit farbenfrohere Varianten. Die Drucke des späten 19. Jahrhunderts schließlich zeigen die überbordenden Ornamente, die für diese Zeit typisch sind.

M: Göttelbriefe waren im deutschsprachigen Raum weit verbreitet. In Baden und im Elsass sind sie ab 1700 und bis ins späte 19. Jahrhundert bezeugt. Heute sind sie nahezu vergessen.

 

 

Fotos: © Heimatmuseum Neuried