Station: [2] Jakob Specks kurzes Leben


Jakob Speck:

Ja, da schauen Sie, was? Wie man so deprimiert und desillusioniert dreinblicken kann? Nach ein paar Monaten Kriegseinsatz an der Westfront ist das keine Kunst!

Zu Anfang, ja! Da waren wir alle noch begeistert und konnten gar nicht schnell genug in die Kämpfe kommen und den Franzmann verhauen. Aber dann… zermürbender Stellungskrieg im Dauerregen… in der Schlamm-pagne, wie wir unter uns sagen.

Das Hin und Her zwischen Front und Etappe und das unendliche Trommelfeuer vor den Angriffen. Es zermürbt einen!

Unsere Unterkunft im Schützengraben haben wir „Villa Helena“ getauft. Und wenn ich dann meine Feldpostbriefe schreibe, da wird mir oft ganz wehmütig…

 

1. Dezember 1915

Liebe Verwandte, es ist sehr schlechtes Wetter, so wie wir heute aussahen, solltet ihr uns einmal sehen. Der Schlamm ging uns oben zu den Stiefeln rein, haben viele die Stiefel verloren. Heute haben wir uns wieder einmal gewaschen…

 

19. Dezember 1915, im Schützengraben

Liebe Verwandte, sehr wenig Ruhe gehabt… morgens um drei Uhr wurden wir geweckt zum Schanzen und mittags ein Uhr kamen wir wieder zurück… noch exerzieren, dann Appell und einteilen zur Arbeit, dann wurde es sechs Uhr noch später, dann legt man sich gerne hin und dann hat man wieder die Last mit den Läusen…

 

26. Dezember 1915, im Schützengraben

Liebe Verwandte, am 24. mittags 4 Uhr wurde uns ein Mann aus dem Zug, wo auch ich dabei bin, tot geschlagen von einem Volltreffer im Beobachtungshäuschen. Der hatte einen schönen Tod gehabt. Er war dann ganz unkenntlich. Er war verheiratet und seine Frau liegt im Krankenhaus…

 

Sonntag, 13. Februar 1916

Wenn es nur Gottes Wille wäre, dass es doch bald einmal Friede gäbe und ich wieder, wenn es Gottes Wille ist, gesund zu Euch und meinem lieben Vater und den lieben Großeltern in die Heimat zurückkommen darf. Es wird doch bald einmal eine Wendung kommen, wie man hört…

Ich werde wahrscheinlich vom 14. bis 15. wieder in Stellung gehen und ich will zum lieben Gott beten, dass er mich mit seiner Vaterhand behüten werde. Bin dann bis 1. März im ersten Graben, vom 1. bis 15. im zweiten Graben und das bis Ende März… wenn es Gottes Wille ist, dass ich noch lebe…

Euer dankbarer Jakob

 

F: Wenig später fiel Jakob Speck in der Schlacht von Verdun. Nach dem Krieg ließ seine Familie die Leiche exhumieren und nach Altenheim überführen. Das Gemälde, das den eichenlaubumkränzten Sohn zeigt, entstand postum und hing jahrzehntelang in der Guten Stube.
In den vier Jahren des Ersten Weltkriegs wurden 28,7 Milliarden Briefe zwischen Front und Heimat verschickt.

Jakob Speck:  In der Hoffnung, dass mich der liebe Gott wieder gesund zu Euch zurückführt, grüßt Euch alle… Euer… Jakob

 

Fotos: © Heimatmuseum Neuried