<< < Station: [1] Geschichte des Hauses und der Werkstatt


Bernhard Diedrichs und Franz Knoche waren Schwäger. Und sie waren Kunsttischler. Sie hatten sich während ihrer Ausbildung bei dem Wiedenbrücker Meister Theodor Brockhinke kennengelernt. Im Jahr 1904 taten sie sich zusammen, gründeten gemeinsam einen Betrieb und erbauten dieses Haus: Im Vorderhaus, dem so genannten „Künstlerhaus“, wohnten die Familien, hier im Hinterhaus wurden Altäre gebaut – hier war die Werkstatt.

Das großformatige schwarz-weiß-Foto vor der Treppe zeigt einen Altar, der genau hier, in der Werkstatt von Diedrichs und Knoche, entstand. Damals war in diesem Saal die Montagehalle, die sich über drei Stockwerke erstreckte. Man brauchte die hohen Räume, um den in Einzelstücken gefertigten Altar vor der Auslieferung probeweise zusammenzusetzen und aufzustellen. Die heutige Zwischendecke wurde erst mit der Sanierung und dem Umbau des Hauses zwischen 2006 und 2008 eingezogen.

Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Kircheneinrichtungen aus Wiedenbrück national und international gefragt. Die Neo-Romanik und vor allem die Neo-Gotik – die Kunststile des heroisierenden Mittelalters – begeisterten kirchliche Auftraggeber und Gläubige gleichermaßen. Die an alte Stilepochen anknüpfende Kunst und Architektur symbolisierten für Viele das langersehnte Erstarken der vereinten deutschen Nation und den einigenden Charakter der Kunst. Was heute mitunter überladen oder allzu bunt und glatt wirkt, entsprach dem damaligen Zeitgeist.

Und die Wiedenbrücker Handwerker und Künstler lieferten. In dem kleinen Ort hatte sich eine hochspezialisierte Künstlerkolonie gebildet, die die Entwürfe der Kirchenbaumeister umsetzte: Geschickt nutzten die Handwerker die Synergien der einzelnen Gewerke und fertigten Kirchenausstattungen von höchster Qualität. Gesamtkunstwerke in Gemeinschaftsarbeit! Tischler, Maler, Ornamentiker, Vergolder, Polychromeure und Bildhauer brachten jeweils ihre Spezialkenntnisse ein. Und die Künstler und Handwerker der Wiedenbrücker Schule waren damit äußerst erfolgreich.

Der Medientisch in der Mitte des Raumes gibt Ihnen einen Überblick über die Vielzahl der kunsthandwerklichen Betriebe in der damals noch sehr übersichtlichen Stadt. An den Wänden und in den Vitrinen lernen Sie den Betrieb von Diedrichs und Knoche besser kennen. Im ersten Stockwerk geht die Ausstellung weiter.

Alle Abbildungen: Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum