<< < Station: [19] Baumsarg und Pilgermuschel


Eine rustikale aber naheliegende Sargform: Jahrtausendelang nutze man mächtige Baumstämme, um Verstorbene zu bestatten. Man höhlte sie mit einem Beil oder mit Feuer aus und bettete die Toten darin.

Baumsärge sind bereits seit der Bronzezeit bezeugt. Die Anfang des 20. Jahrhunderts in Wiedenbrück geborgenen Särge stammen allerdings aus weit späterer Zeit: aus dem zehnten Jahrhundert, also den Jahren der urkundlichen Ersterwähnung Wiedenbrücks.

Etwa auf der Höhe des nördlichen Seitenschiffs von Sankt Aegidius befand sich im Mittelalter ein christlicher Friedhof. Die hier bestatteten Toten lagen in Ost-West-Richtung in der Erde – wie in der christlichen Tradition üblich. Die Särge in den tieferen Schichten hingegen waren von Norden nach Süden ausgerichtet – ein Hinweis darauf, dass der spätere Kirchplatz schon in vorchristlichen, also sächsischen Zeiten, als Bestattungsplatz genutzt worden war.

Der kleine Kastensarg im Vordergrund dürfte einem jung verstorbenen Kind gehört haben – bei der hohen Kindersterblichkeit im Mittelalter leider nichts Außergewöhnliches. Was jedoch bemerkenswert ist: Der kleine Tote hat einen eigenen Sarg bekommen, und dazu noch einen aufwändig gearbeiteten!

Ohne die Unterstützung von Maschinen ein Brett zu sägen ist zeitraubend und mühevoll. Kastensärge – also aus Brettern zusammengesetzte Särge – waren daher eine Rarität… zumal bei Kindern! Das hier bestattete Kind wird also der Spross einer reichen Familie gewesen sein.

Das ganze Mittelalter hindurch zogen Pilger durch Europa, und Wiedenbrück lag an einem Seitenarm des Jakobswegs: von Minden nach Herford kommend, zog man durch Bielefeld, den Teutoburger Wald und weiter Richtung Hamm und Dortmund … bis nach Santiago de Compostela in Nordspanien. Als Erkennungszeichen trugen die Pilger des Jakobswegs eine Kammmuschel, eine Jakobsmuschel, am Hut.

Doch wer war der Pilger, der im 10. Jahrhundert auf dem Wiedenbrücker Kirchplatz beerdigt wurde und seine Muschel mit ins Grab bekam? Ein Durchreisender, der auf seiner Wanderschaft verstarb oder ein zurückgekehrter Wiedenbrücker, der seine Muschel aufbewahrt und in Ehren gehalten hatte, als Zeichen seiner weiten Reise? Beides ist möglich.

Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum