<< < Station: [100] Ima Hartmann-Rochelle: Porträtkopf Bernd Hartmann


Hartmann-Lintel:

Wo bin ich? Gerade scheint es mir, als sei ich aus einem langen, tiefen Schlaf erwacht… Ich wundere mich, dass ich nicht in meinem heimatlichen Lintel, zu Hause im Atelier bin… sondern offenbar… ich höre Automotoren… auf einer Straße? Im Freien?

Gerne würde ich mir die Augen reiben, doch es gelingt mir nicht… Was ist bloß los?

Vogel:

Du bist eine Büste, dich gibt es nur bis zum Hals, natürlich kannst du dir nicht die Augen reiben.

Hartmann-Lintel:

Eine Büste? So wie ich selbst derer viele schuf?

Und wer bist du?

Vogel:

Ich bin die Amsel und wenn keine Menschen in der Nähe sind, dann setze ich mich gerne auf deinen Kopf. Der guten Aussicht wegen…

Aber jedenfalls, zurück zu Thema: Du warst Bildhauer – genau! – und hast Figuren geschaffen. Und jetzt bist zu selbst eine.

Hartmann-Lintel:

Eine Figur? Eine Büste?

Vogel:

So sieht es aus. Geschaffen von Ima.

Hartmann-Lintel:

Meiner Frau? Ima Hartmann-Rochelle? Nun, dann mag das Werk so schlecht nicht sein. Ima ist eine sehr talentierte Künstlerin… Und sie hat mich – ihren Ehemann – gestaltet? Warum weiß ich davon nichts?

Na, vielleicht soll es eine Überraschung sein… zu meinem nächsten Geburtstag… dem 67sten.

Vogel:

Nun ja… ja, vielleicht … vielleicht hatte Ima wirklich vor, dir deine Büste zum Geburtstag zu schenken… aber…

Hartmann-Lintel:

Aber?

Vogel:

… aber das hat leider nicht geklappt. Ist was dazwischen gekommen.

Hartmann-Lintel:

Etwas dazwischen gekommen? Dann muss es etwas sehr Wichtiges gewesen sein.

Vogel:

So kann man es sagen… also… was ich meine: Diese Büste hier soll an dich erinnern.

Hartmann-Lintel:

An mich erinnern, aber ich bin doch…

Vogel:

Du bist leider gestorben. Und Ima war untröstlich. Und Wiedenbrück auch, denn die Stadt hatte einen ihrer größten Künstler verloren… und deswegen… deswegen wurde bald nach deinem Tod deine Büste aufgestellt… um an dich zu erinnern.

Hartmann-Lintel:

Ach, meine liebe Ima! Immer treu sorgend und um meinen Ruhm bedacht. Also, wenn ich dich richtig verstehe: „Nach-Ruhm“…

Vogel:

Ja, und das mit dem Nachruhm, das hat sie wirklich gut hingekriegt. Du siehst echt nett aus, ein freundlicher, älterer Herr, der ein ganz kleines Bisschen lächelt… man möchte fast ein wenig mit dir plaudern…

Hartmann-Lintel:

Ja, das tun wir ja gerade. Aber sag: Wo ist Ima? Lebt und arbeitet sie immer noch in unserem Atelier in Lintel?

Vogel:

Also… wie soll ich’s sagen? Nachdem du gestorben warst und deine Büste hier aufgestellt wurde… danach ist Ima… wieder nach München zurückgekehrt… Sie ist aber mehrmals im Jahr zurück nach Wiedenbrück gekommen und hat auch noch ein paar schöne Kunstwerke in Wiedenbrück hinterlassen. Zwei spielende Mädchen zum Beispiel…

Hartmann-Lintel:

Sagtest du: „hinterlassen“?

Vogel:

Nun ja… diese ganze Sache ist schon sehr lange her… Deine Büste steht hier seit über 40 Jahren…

Hartmann-Lintel:

Vierzig Jahre! Dann ist Ima ja jetzt…

Vogel:

Ja, also sie ist vor einigen Jahren auch gestorben. Und liegt neben Dir begraben.

Hartmann-Lintel:

Ich – tot; Ima – tot. Dann ist diese ganze Zeit ja schon lange vorbei und beendet!

Vogel:

In gewisser Weise, ja. Aber irgendwie bist du ja noch da, und deine Kunstwerke und Imas Kunstwerke. So lebt ihr beide weiter… in eurer Kunst. Das ist doch schön, oder?

Hartmann-Lintel:

Nun, wenn du das so formulierst… eigentlich schon! Nur seltsam, dass ich so lange geschlafen habe…

Vogel:

Also gut, dann weißt du ja jetzt Bescheid. Ich flattere mal weiter. Aber ich komme heute Abend nochmal rum, setz mich auf deinen Kopf und schau nach dir. Bis heute Abend! Und nicht wieder einschlafen!

Hartmann-Lintel:

Nicht wieder einschlafen… nun, ich will’s probieren…

 

Alle Abbildungen : Torsten Nienaber, © Wiedenbrücker Schule Museum