Arno Polzin, Klaus Auerswald „Mythos Schwedt. DDR-Militärstrafvollzug und NVA-Disziplinareinheit aus dem Blick der Staatssicherheit“ und „‚Sonst kommst du nach Schwedt!‘ Der Bericht eines Militärstrafgefangenen“ Über das einzige Militärgefängnis der DDR berichten ein Wissenschaftler und ein ehemaliger Häftling. In der nordostbrandenburgischen Stadt Schwedt an der Oder befand sich ab 1968 das zentrale Militärgefängnis der DDR. Es wurde zur Inhaftierung von Angehörigen der Nationalen Volksarmee genutzt. Für nahezu jeden männlichen und wehrpflichtigen DDR-Bürger war Schwedt deshalb ein negativ besetzter Begriff. Die dort praktizierte Kombination von Freiheitsentzug mit Schichtarbeit, militärischer Ausbildung und politischer Schulung bedeutete gegenüber anderen Gefängnissen eine verschärfte Situation, auch wenn die in Schwedt maximal zu verbüßende Strafhöhe „nur“ zwei Jahre betrug. Strafverschärfend wurde empfunden, dass die verbüßte Zeit trotz anhaltender Zugehörigkeit zur Armee nicht als Wehrdienst angerechnet wurde und entsprechende Anteile nachzudienen waren. Neben militärgerichtlich verurteilten Strafarrestanten und Militärstrafgefangenen konnten ab 1982 Armeeangehörige sogar per bloßem Kommandeursbefehl mit bis dreimonatigem sogenannten „Dienst in der Disziplinareinheit“ bestraft werden. Die Gründe für die Inhaftierungen teilen sich zur Hälfte in normale Straftaten wie Körperverletzung oder Diebstahl sowie in Militärstraftaten wie Befehlsverweigerung, Fahnenflucht oder Alkohol im Dienst. Am 26. April 1990 wurde der letzte Militärstrafgefangene entlassen und am 31. Mai 1990 wurde die Einrichtung geschlossen. Die Gefangenenbaracken wurden in den 1990er Jahren abgerissen. Der Historiker Arno Polzin wertete für sein Buch „Mythos Schwedt. DDR-Militärstrafvollzug und NVA-Disziplinareinheit aus dem Blick der Staatssicherheit“ über 900 Akten aus den Beständen des Ministeriums für Staatssicherheit aus, so dass nun viel zum Innenleben des Militärstrafvollzugs bekannt wurde, inklusive der Einbindung der Staatssicherheit. Nach ihm liest Klaus Auerswald aus seiner Autobiographie „Sonst kommst du nach Schwedt! Der Bericht eines Militärstrafgefangenen“. Darin skizziert der ehemalige Soldat seine Erlebnisse, die er als inhaftierter Militärangehöriger sammeln musste. Wegen angeblich „mehrfach begangener staatsfeindlicher Hetze“ wurde er zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine staatsfeindliche Hetze habe darin bestanden, dass er sich kritisch mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in der damaligen CSSR auseinandersetzte. Seinem Bericht liegen die einschlägigen Akten zugrunde, die Auerswald nach der Friedlichen Revolution einsehen durfte. Herausgekommen ist ein dokumentarisches Zeugnis, das einen tiefen und zugleich erschütternden Einblick in die DDR-Militärstrafpraxis gewährt. Moderation: Reinhard Bohse (Bürgerkomitee Leipzig e.V.)
21. Mar 2019 - 20:00
Dittrichring 24 
Leipzig
04109
Germany

Current event for "Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke""

Doppellesung und Gespräch : "Mythos Schwedt. DDR-Militärstrafvollzug aus dem Blick der Stasi und von einem Häftling"

21. Mar 2019 - 20:00 – 21. Mar 2019 - 21:00
Gedenkstätte Museum in der "Runden Ecke"

Arno Polzin, Klaus Auerswald

„Mythos Schwedt. DDR-Militärstrafvollzug und NVA-Disziplinareinheit aus dem Blick der Staatssicherheit“ und „‚Sonst kommst du nach Schwedt!‘ Der Bericht eines Militärstrafgefangenen“

Über das einzige Militärgefängnis der DDR berichten ein Wissenschaftler und ein ehemaliger Häftling.

In der nordostbrandenburgischen Stadt Schwedt an der Oder befand sich ab 1968 das zentrale Militärgefängnis der DDR. Es wurde zur Inhaftierung von Angehörigen der Nationalen Volksarmee genutzt. Für nahezu jeden männlichen und wehrpflichtigen DDR-Bürger war Schwedt deshalb ein negativ besetzter Begriff. Die dort praktizierte Kombination von Freiheitsentzug mit Schichtarbeit, militärischer Ausbildung und politischer Schulung bedeutete gegenüber anderen Gefängnissen eine verschärfte Situation, auch wenn die in Schwedt maximal zu verbüßende Strafhöhe „nur“ zwei Jahre betrug. Strafverschärfend wurde empfunden, dass die verbüßte Zeit trotz anhaltender Zugehörigkeit zur Armee nicht als Wehrdienst angerechnet wurde und entsprechende Anteile nachzudienen waren. Neben militärgerichtlich verurteilten Strafarrestanten und Militärstrafgefangenen konnten ab 1982 Armeeangehörige sogar per bloßem Kommandeursbefehl mit bis dreimonatigem sogenannten „Dienst in der Disziplinareinheit“ bestraft werden.

Die Gründe für die Inhaftierungen teilen sich zur Hälfte in normale Straftaten wie Körperverletzung oder Diebstahl sowie in Militärstraftaten wie Befehlsverweigerung, Fahnenflucht oder Alkohol im Dienst.

Am 26. April 1990 wurde der letzte Militärstrafgefangene entlassen und am 31. Mai 1990 wurde die Einrichtung geschlossen. Die Gefangenenbaracken wurden in den 1990er Jahren abgerissen.

Der Historiker Arno Polzin wertete für sein Buch „Mythos Schwedt. DDR-Militärstrafvollzug und NVA-Disziplinareinheit aus dem Blick der Staatssicherheit“ über 900 Akten aus den Beständen des Ministeriums für Staatssicherheit aus, so dass nun viel zum Innenleben des Militärstrafvollzugs bekannt wurde, inklusive der Einbindung der Staatssicherheit.

Nach ihm liest Klaus Auerswald aus seiner Autobiographie „Sonst kommst du nach Schwedt! Der Bericht eines Militärstrafgefangenen“. Darin skizziert der ehemalige Soldat seine Erlebnisse, die er als inhaftierter Militärangehöriger sammeln musste. Wegen angeblich „mehrfach begangener staatsfeindlicher Hetze“ wurde er zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Seine staatsfeindliche Hetze habe darin bestanden, dass er sich kritisch mit dem Einmarsch der sowjetischen Truppen in der damaligen CSSR auseinandersetzte. Seinem Bericht liegen die einschlägigen Akten zugrunde, die Auerswald nach der Friedlichen Revolution einsehen durfte. Herausgekommen ist ein dokumentarisches Zeugnis, das einen tiefen und zugleich erschütternden Einblick in die DDR-Militärstrafpraxis gewährt.

Moderation: Reinhard Bohse (Bürgerkomitee Leipzig e.V.)

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