Ab dem 30. März zeigt das Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts die Ausstellung „SCHEIN ODER SEIN. Der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts“ – die Jubiläumsausstellung zum 10-jährigen Jubiläum des Museums in Baden-Baden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden die Hoftheater nach und nach durch Stadttheater ersetzt. Die Bühnenstücke handelten nun auch vom Alltag, von der Gegenwart, von normalen Bürgern. Dem Aufstieg des bürgerlichen Theaters stand die zunehmende Theatralisierung des bürgerlichen Alltags gegenüber. Aus dem festen Gefüge der alten Ständeordnung entlassen, war der Bürger nun darauf verwiesen, zum Darsteller seiner selbst zu werden. Seine innovativen Leistungen in Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft musste der Bürger nicht nur erbringen. Sie mussten in Konkurrenz zu vielen anderen, ebenfalls fleißigen Individuen gebührend in Szene gesetzt werden. Die Theatralisierung des bürgerlichen Lebens verwandelte viele Alltagsräume in Bühnen. Die gute Stube wurde zum Salon, in dem Gäste und Gastgeber ihre Auftritte inszenierten, umgeben von Möbeln, die ihren Gebrauchszweck als aufwändige Miniarchitekturen performativ überhöhten. Im damals neuen fotografischen Atelier trat die ganze Familie im Sonntagsstaat vor dem Maschinenauge der Kamera auf. Malerei und Karikatur zeigten die Spannung von alltäglicher Realität und dramatischer Fiktion, wirkmächtig in den Gemälden von Carl Gehrts (1853-1898), spöttisch in den Theater-Lithografien von Honoré Daumier (1808-1879). Die Ausstellung thematisiert die Kunst und Technik des eindrucksvollen Auftritts im 19. Jahrhunderts. Zu sehen sind historische Bühnenentwürfe und –requisiten, architektonische Modelle exemplarischer Theaterbauten, künstlerische und alltagspraktische Produkte der neuen Kulturtechnik des Performativen sowie zeittypische Atelierfotografien, auf denen manchmal nicht zu unterscheiden ist, ob sich ein Schauspieler in seiner Bühnenrolle oder ein Bürger in seiner Alltagsrolle für die Kamera inszenierte. Die Besucher gehen durch einen Ausstellungsrundgang, der sie vor, auf und hinter die Bühne führt. Zu sehen sind historische Bühnenbilder aus Zuschauersicht. Dann wieder gelangen die Besucher auf eine Bühne, als seien sie selbst die Schauspieler. Oder sie finden sich hinter den Kulissen wieder, wo Geräuschmaschinen und verborgene Spezialeffekte auf ihren dramatischen Einsatz lauern. Die fließenden Übergänge von Zuschauer- und Bühnenraum, von alltäglichem Sein und theatralischem Schein, machen einen historischen Vorgang für die Museumsbesucher räumlich erlebbar. Das Performative sprang im frühen 19. Jahrhundert von der Bühne auf den Alltag über. Damals begann, was viele Alltags- und Berufsfelder bis heute prägt: Du musst es nicht nur gut machen. Es muss den anderen auch auffallen. Der leistungsstarke Performer in der Firma, der Selfie-Poser von heute – sie nehmen ihren Anfang im historischen Übergang vom Hof- zum Stadttheater, der zugleich die Selbstinszenierung zum festen Bestandteil bürgerlichen Lebens machte. Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit der Kuratorin Dr. Irene Haberland, Bonn, und ist eine Kooperation mit dem Theater Baden-Baden.
30. Mar 2019 - 00:00
Lichtentaler Allee 8
Baden-Baden
76530
Germany

Current event for "Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts"

SCHEIN ODER SEIN. Der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts

30. Mar 2019 - 00:00 – 08. Sep 2019 - 00:00
Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts

Ab dem 30. März zeigt das Museum für Kunst und Technik des 19. Jahrhunderts die Ausstellung „SCHEIN ODER SEIN. Der Bürger auf der Bühne des 19. Jahrhunderts“ – die Jubiläumsausstellung zum 10-jährigen Jubiläum des Museums in Baden-Baden. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts wurden die Hoftheater nach und nach durch Stadttheater ersetzt. Die Bühnenstücke handelten nun auch vom Alltag, von der Gegenwart, von normalen Bürgern. Dem Aufstieg des bürgerlichen Theaters stand die zunehmende Theatralisierung des bürgerlichen Alltags gegenüber. Aus dem festen Gefüge der alten Ständeordnung entlassen, war der Bürger nun darauf verwiesen, zum Darsteller seiner selbst zu werden. Seine innovativen Leistungen in Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft musste der Bürger nicht nur erbringen. Sie mussten in Konkurrenz zu vielen anderen, ebenfalls fleißigen Individuen gebührend in Szene gesetzt werden.

Die Theatralisierung des bürgerlichen Lebens verwandelte viele Alltagsräume in Bühnen. Die gute Stube wurde zum Salon, in dem Gäste und Gastgeber ihre Auftritte inszenierten, umgeben von Möbeln, die ihren Gebrauchszweck als aufwändige Miniarchitekturen performativ überhöhten. Im damals neuen fotografischen Atelier trat die ganze Familie im Sonntagsstaat vor dem Maschinenauge der Kamera auf. Malerei und Karikatur zeigten die Spannung von alltäglicher Realität und dramatischer Fiktion, wirkmächtig in den Gemälden von Carl Gehrts (1853-1898), spöttisch in den Theater-Lithografien von Honoré Daumier (1808-1879).

Die Ausstellung thematisiert die Kunst und Technik des eindrucksvollen Auftritts im 19. Jahrhunderts. Zu sehen sind historische Bühnenentwürfe und –requisiten, architektonische Modelle exemplarischer Theaterbauten, künstlerische und alltagspraktische Produkte der neuen Kulturtechnik des Performativen sowie zeittypische Atelierfotografien, auf denen manchmal nicht zu unterscheiden ist, ob sich ein Schauspieler in seiner Bühnenrolle oder ein Bürger in seiner Alltagsrolle für die Kamera inszenierte.

Die Besucher gehen durch einen Ausstellungsrundgang, der sie vor, auf und hinter die Bühne führt. Zu sehen sind historische Bühnenbilder aus Zuschauersicht. Dann wieder gelangen die Besucher auf eine Bühne, als seien sie selbst die Schauspieler. Oder sie finden sich hinter den Kulissen wieder, wo Geräuschmaschinen und verborgene Spezialeffekte auf ihren dramatischen Einsatz lauern.

Die fließenden Übergänge von Zuschauer- und Bühnenraum, von alltäglichem Sein und theatralischem Schein, machen einen historischen Vorgang für die Museumsbesucher räumlich erlebbar. Das Performative sprang im frühen 19. Jahrhundert von der Bühne auf den Alltag über. Damals begann, was viele Alltags- und Berufsfelder bis heute prägt: Du musst es nicht nur gut machen. Es muss den anderen auch auffallen. Der leistungsstarke Performer in der Firma, der Selfie-Poser von heute – sie nehmen ihren Anfang im historischen Übergang vom Hof- zum Stadttheater, der zugleich die Selbstinszenierung zum festen Bestandteil bürgerlichen Lebens machte.

Die Ausstellung entstand in enger Zusammenarbeit mit der Kuratorin Dr. Irene Haberland, Bonn, und ist eine Kooperation mit dem Theater Baden-Baden.

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