Station: [1] Die feuerspeienden Katzen und der Schatz vom Rodenstein - Teil 1


Viele Odenwälder Familien waren einst bettelarm und mussten sogar hungern. Sie träumten davon, dass es Sterntaler regnet und dass man einen Goldesel hätte. Und wer in der Nähe der Burg Rodenstein wohnte, dachte darüber nach, wo die feinen Damen und Herren von Rodenstein wohl ihre Schätze vergraben haben mochten.

 

Eines Tages sprach eine Bäuerin, die sich mit allerlei geheimen Sachen auskannte, zu ihrem Mann: „Unsere Kinder und wir hungern und werden sterben, wenn nicht ein Wunder geschieht. Geh hin zum Rodenstein, da soll – nicht weit vom Mühlturm – ein großer Schatz vergraben liegen. Vielleicht können wir damit unser Unglück abwenden. Aber du musst wissen: Nur um Mitternacht kann man den Schatz bergen. Große und gefährliche Katzen bewachen ihn. Man sagt, noch keiner der Schatzgräber sei bis zu ihm vorgedrungen, und keiner kehrte jemals unversehrt zurück. Doch du bist klug und mutig: Du kannst, ja, du musst es schaffen!“

 

Da rüstete sich der Bauer, der ein redlicher und starker Mann war, mit allerlei Gerätschaften aus und machte sich auf den Weg zur Burgruine Rodenstein. Unterwegs begegnete er einem alten, weißhaarigen Männchen. Das sprach zu ihm: „Du hast dein Leben lang hart gearbeitet und auch in schlechten Zeiten deine Frau und deine vier Kinder stets liebevoll umsorgt. Nimm dieses Pfeifchen! Wenn du hineinbläst, wird es dir drei Mal helfen in Not und Gefahr. Aber gehe sorgsam damit um – und benutze es nur, wenn es wirklich sein muss!“ Und schon war das Männchen verschwunden.

 

Graue Nebelschleier lagen über der Burgruine, als der Bauer um die Mitternachtsstunde zum Osttor kam. Der Vollmond umspielte die Ruine mit einem geheimnisvollen Licht. Da tauchte eine große Katze auf, fauchte den Bauern an und fuhr ihre scharfen Krallen aus. Feuer und Flammen kamen ihr aus Maul und Nase. Der Bauer hob seine Hacke, um die Katze abzuwehren, aber dann dachte er: „Wieso soll ich gegen die Katze kämpfen und dabei meine Kräfte vergeuden, die ich noch brauche, um den Schatz auszugraben? Ich will sehen, ob mir das Pfeifchen nicht die Arbeit abnehmen kann“. Er blies hinein und sogleich erschien, wie von Geisterhand geführt, ein kräftiger Hund mit Augen so groß wie Kaffeetassen. Er knurrte und bellte und jagte die Katze in den Wald. Als sie nicht mehr zu sehen war, verschwand auch der Hund.

 

Text © Karl-Heinz Mittenhuber        
Abbildung: © Carmen Berger, Fränkisch-Crumbach, mit freundlicher Erlaubnis