Station: [10] Die Rettung der verwünschten jungen Frau - Teil 1


Eine junge Frau saß verzweifelt weinend auf einem Stein unten am Eberbach, den ihr dort seht, als ein junger Bauer von Crumbach den Hügel hinauf zum Rodenstein wanderte, um dort frisches Gemüse von seinen Feldern zu verkaufen. 

„Warum weinst du denn“, fragte der Bauer die junge Frau voller Mitleid. „Ach, es ist entsetzlich“, antwortete sie. „Gestern, kurz vor Einbruch der Dunkelheit, arbeitete ich noch auf unserem Rübenfeld und plötzlich erblickte ich einen Trupp schrecklich anzusehender Männer auf mich zureiten. Vorweg galoppierte ein Ritter auf einem großen Schimmel, wohl der Herr vom Rodenstein, und er sah grimmig aus! Vielleicht war es das ‚Wilde Heer‘“. Die junge Frau schaute sich ängstlich um, als könnten die Reiter wieder auftauchen. 

Sie zitterte am ganzen Körper, als sie fortfuhr: „Sie kamen geradewegs auf mich zu, übers Feld, obwohl sie am Getreide und an den Rüben viel Schaden anrichteten. Trotz großer Angst bat ich sie, nicht die Arbeit meiner Familie zu zerstören. Da herrschte mich der Rodensteiner an und rief: ‚Du dummes Ding, weißt du denn nicht, wen du vor dir hast? Sei verflucht dafür, dass du es wagst, uns aufzuhalten, wenn wir heim auf den Rodenstein wollen.‘ Und ehe ich mich versah, wurde ich zur Seite ins Gebüsch geworfen. Nun fürchte ich mich wegen des Fluches und wage nicht, nach Hause zu gehen, denn ich habe gehört, dass Verfluchte ihrer Familie Unglück bringen.“ 

Der Bauer antwortete: „Ich würde dir wirklich gerne helfen, aber wie?“ Die junge Frau schluchzte: „Die Wilden Weibchen, die nicht weit von hier leben, sagen, dass verwünschte Menschen durchaus von einem Fluch erlöst werden können. Derjenige, der ihnen helfen will, muss drei Mutproben bestehen. Ich kenne aber niemanden, der das für mich tun würde“.

Der Bauer überlegte nicht lange. Er wollte der jungen Frau unbedingt helfen. Er sollte für die Mutproben an drei aufeinanderfolgenden Tagen wiederkommen und jedes Mal würde ein anderes Wesen auf dem Stein sitzen, auf dem er die Frau gefunden hatte, und jedes dieser Geschöpfe müsste er küssen. Das schien ihm lösbar, und er nahm die junge Frau tröstend in den Arm und versprach, den Fluch von ihr zu nehmen.

 

Text: Claus Fittschen, © Rodensteinmuseum
Illustration: © Heike Frank, Fränkisch-Crumbach, mit freundlicher Erlaubnis