Station: [23] Anna Ancher: "Ane Hedvig Brøndum, am Tisch sitzend", 1910


Anna Ancher vermittelt mit ihren Interieurs und Porträtwiedergaben häusliche Stimmungen und eine starke emotionale Eingebundenheit in die eigene Motivwelt. Damit grenzt sich ihre Malerei vom Realismus anderer Maler der Künstlerkolonie Skagen ab. In dem Porträt ihrer Mutter, Ane Hedvig Brøndum, am Tisch sitzend, vermeidet Anna Ancher den Eindruck einer idealisierenden Charakterstudie und hält den Augenblick der malerischen Aufnahme als flüchtig und alltäglich fest. Entsprechend erscheint nicht die schreibende Mutter als das zentrale Bildthema, sondern stattdessen wird die Aufmerksamkeit des Betrachters auf die besonderen Lichtverhältnisse im Raum gelenkt. Unter dem Einfluss der jungen französischen Ästhetik werden die Farben und Formen als von den Bildgegenständen reflektiertes Licht aufgefasst. Betrachtet man beispielsweise die in wenigen Strichen anschaulich wiedergegebenen Lichtreflexe auf dem Schreibtisch in der Bildmitte, das aus Grau-, Blau- und Gelbtönen bestehende Weiß des Kissens hinter Ane Hedvig Brøndum oder die getupften Blüten des Blumenbuketts im rechten Vordergrund, so sind Anna Anchers Orientierung am Impressionismus und ihre moderne Experimentierfreude deutlich erkennbar.