Station: [12] Hans Peter Feddersen: „Viehweide in der Friesischen Marsch“ (1877)


Der nordfriesische Maler Hans Peter Feddersen malte dieses großformatige Gemälde während seines Kunststudiums in Weimar im Jahre 1877. Wir blicken auf eine flache Marschenlandschaft, die sich weit bis zum Horizont erstreckt. Rotbunte Shorthornrinder – richtig: Ein schwarzes Exemplar ist auch darunter! – gehen ihrem Tagewerk nach: Sie fressen saftiges Gras, käuen wieder, trinken an der Wasserstelle, befreien sich am Scheuerpfahl vom Ungeziefer oder dösen einfach nur in der Sonne. Der frühsommerliche Tag ist von kristallklarer Luft erfüllt. Zwischen den Wolken blitzt kraftvoll die Sonne hervor und taucht die Szene in ein scharfgestochenes Spiel aus Licht und Schatten; die Tiere scheinen geradewegs von innen zu leuchten. Auf der rechten Bildseite ragt ein schmaler Weg diagonal ins Bild hinein. Zwei Kuhhirten stehen da am Gatter und unterhalten sich. Der dunkle Pfad verleiht der Szene Tiefe: Weiter hinten ist gerade noch ein Pferdegespann erkennbar. Feddersen interessierte sich hier für eine Landschaft, die damals als unspektakulär galt und wenig Beachtung fand. Dabei beobachtet er zugleich sehr präzise: Die Kühe beispielsweise sind anatomisch genau erfasst. Auch wenn der Maler Frankreich selbst nie bereist hat, war er sehr gut über die dortigen künstlerischen Entwicklungen unterrichtet – und zwar dank seiner Weimarer Professoren. Sein Lehrer Albert Brendel hatte seit 1854 mehrfach in der Künstlerkolonie Barbizon gearbeitet. Sie war ein Zentrum der modernen Freilichtmalerei und französische Künstler wie François Daubigny und Camille Corot schlugen dort den Weg zum Impressionismus ein. Brendel war so begeistert von Feddersens Gemälde, dass er schrieb, „selten [eine] größere Begabung für Licht und Sonne“ gesehen zu haben.