Station: [19] Anja Jensen: „Ahnung“ (2019)


In Anja Jensens Fotografie „Ahnung“ steigt eine junge Frau in friesischer Festtagstracht eine abgebrochene Dünenkante empor. Sie hat uns den Rücken zugewandt und richtet ihren Blick auf die vor ihr liegende Landschaft. Intensiv leuchtende Wolkenbänder tauchen die Szene in ein mysteriöses Zwielicht. Man fragt sich: Warum hat die junge Frau diesen menschenleeren Küstenabschnitt aufgesucht? Erklimmt sie die Düne, um von oben Ausschau zu halten? Wenn ja – wonach oder nach wem hält sie Ausschau? Das Werk entstand während Anja Jensens Aufenthalt als Artist-in-Residence am MKdW auf Föhr. Die Arbeit ist das Resultat einer tiefgreifenden Auseinandersetzung mit der Insel, ihrer Landschaft und ihren Bewohnern. Inspiration fand die Künstlerin auch in historischen Gemälden in der Sammlung des Museums Kunst der Westküste. Der Bezug zur Malerei wird zum Beispiel an der pixeligen Bildstruktur deutlich, die an Pinselstriche erinnert. Die Künstlerin formulierte es selbst wie folgt: „ Meine Aufnahmen knüpfen an Bilder an, in denen Frauen dargestellt sind, die auf Dünen oder an der Wasserkante stehen und auf ihre Männer warten“. Es ist ihr Ziel Augenblicke einzufangen, die zwischen Hoffnung und Erwartung hin und her schwingen. Was wir hier sehen, ist ein solcher Moment; die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen mit einem geliebten Menschen wechselt sich mit dem Bangen ab, dass dieser vielleicht nicht wiederkehrt. Derartig ambivalente Gefühle werden durch die stimmungsgeladene Dämmerung noch unterstrichen: weder Tag noch Nacht, weder Anfang noch Ende – es ist eine Zeit des Dazwischenseins und der Ungewissheit.