Station: [4] Historische Einrichtung


Zu Hilfe, zu Hilfe! Immer wenn ich diese Musik höre – zu Hilfe! – dann weiß ich, was kommt. Der Fuchs! Zu Hilfe, der Fuchs!

Seehr richtig! Der Fuchs! Der Fuchs ist da und fiedelt zum Tanze auf.

Und du, mein Hähnchen, du tanzt jetzt. Zum Amüsement der Cafébesucher. Denn dafür gibt es uns ja, hier in den Fensterscheiben:

Die Gänseliesel mit ihren leckeren, kleinen Gänschen…

… das Kind mit dem Akkordeon…

… den kleinen, frechen Satyr und eine blonde Satyrfrau,

die in wildem Galopp auf einem Bock reitet… Aber… gibt es denn überhaupt Satyr-Frauen?!? Na, egal! Uns gibt es doch ohnehin nur zum Wohlgefallen der Menschen.

Die Menschen kommen, um einen heißen Kakao oder einen Tee zu trinken, um sich am Ofen aufzuwärmen, wenn es draußen kalt ist, oder einfach nur, um ein paar schöne Stunden zu verbringen. Und wir, wir unterhalten sie!

Wir haben alles gesehen, hier im Süßen Löchle. Von den Anfängen, als hier noch ein Sattler und dann ein Schuhmacher wohnten, bis zur Conditorei und Feinbäckerei im Jahr 1887 unter dem alten Hildebrand, dann die Jahre unter seinem Sohn Carl Eugen, dann die Frau Hauser und schließlich ihre Nichte, die Hildegard, die als ganz junges Ding hierher gekommen ist…

Willst du wohl tanzen, du fauler Hahn?

Und all die Besucher! Die kaisertreuen Damen in Korsetts und langen Kleidern und riiiesigen Hüten und die zackigen Soldaten. Denn Lahr war ja Garnisonstadt. Und dann, in den 20er Jahren, die schicken Frauen mit kurzen Kleidern und Zigarettenspitze. Und dann kamen nicht so angenehme Zeitgenossen. Aber danach…

Da kamen die Franzosen und dann…

… und dann die Kanadier und jetzt, jetzt kommen nur noch gaaanz langweilige Lahrer… sieht man mal von den Touristen ab. Denn das Süße Löchle ist weltberühmt und die Menschen kommen von überall her, um die einmalige Atmosphäre zu schnuppern und sich in den kuscheligen Gastraum zu quetschen. Denn schön ist es hier ja, aber auch ziemlich eng. Haben Sie mal ausprobiert, wie es ist, hier eine Zeitung zu lesen, ohne den Nachbarn rechts und links die Zeitung vor die Nase zu halten?

Aber… Zeitungen gibt es ja kaum noch, heutzutage. Sondern Handys und Tablets. Aber das Süße Löchle – das muss ich unumwunden zugeben – ist heute genauso schön wie früher. Fast noch schöner, will ich meinen. Der Hof hinter mir, durch den das Licht ins Café scheint, der war früher nur ein schnöder Abstellplatz, voll gerümpelt mit Kruscht. Und die Backstube dahinter… haben Sie die schon gesehen? Originalgetreu herübergerettet aus dem frühen 20. Jahrhundert. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie anno 1892 der riesige Dampfbackofen eingebaut wurde. Da waren wir auch noch ganz neu hier, nicht wahr Hähnchen?

Und oben, wo jahrzehntelang die Hildegard gewohnt hat… na ja, schauen Sie einfach selbst. Heute ist das Süße Löchle ein offenes Haus, zugänglich für jeden. Und der Kaffee, der schmeckt noch immer genau so gut wie zu Kaisers Zeiten. So ist es doch, mein Hähnchen?

 

 

Foto: © Wagner Roland und Adelheid, Lahr