Station: [4] Vorderer Innenhof


Wer das Palais Wunderlich betreten und den Eingangsbereich durchquert hat, sollte erst einmal stehenbleiben: Hier, am Anfang des Hofes, eröffnet sich ein guter Überblick über die Anlage und ihre U-Form.

Das Hauptgebäude hinter Ihnen wurde von Carl Ludwig Wunderlich zwischen 1798 und 1800 erbaut und ist in seiner ursprünglichen Form weitgehend erhalten.

Rechts schloss sich ein Flügel direkt an das Haupthaus an, der allerdings zunächst nur halb so lang war wie heute. Vor dem vierten Fenster erkennen Sie eine Kante im Mauerwerk. Hier endete zu Wunderlichs Zeiten der Westflügel.

Wunderlich hatte hier eine Backstube und eine Wäscherei und wahrscheinlich auch Bedienstetenkammern untergebracht. Da First und Traufe in die Fenster des Haupthauses ragten, wurde das Gebäude während der Sanierung um einige Meter vom Haupthaus abgesetzt und so konnte auch Platz für Terrasse und Balkone geschaffen werden. Seine heutige Länge erhielt der Westflügel erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, unter dem Eigentümer Adolf Friedrich Bader.

Bader war Zigarrenfabrikant und nutzte die gesamte Anlage sowohl als Wohn- als auch als Fabrikationsort. Jahrzehntelang – zwischen 1848 und 1890 – herrschte hier also ein reges Kommen und Gehen von mehreren hundert Angestellten.

Der Ostflügel auf der linken Seite war ursprünglich nicht mit dem Haupthaus verbunden. Wunderlichs Nachfolger Lucas Faesch hatte ein erstes Gebäude errichtet, das allerdings 1860 von Bader abgerissen und durch den jetzigen Ostflügel ersetzt wurde. Bader nutzte den so entstandenen Raum im Erdgeschoss für seine Produktion und das Dachgeschoß als Lager für die Importtabake.

Ein gutes Jahrzehnt später ergänzte Bader den Ostflügel noch um eine eingeschossige Badehalle – also ein Badezimmer mit Warmwasserversorgung. Sie erkennen die ehemalige Badehalle an den weißen Fenstern und der Tür ganz am Ende des Flügels.

Auf den Fassaden von Ost- und Westflügel entdecken Sie kleine Eisenhaken: am Ostflügel etwas weiter unten, am Westflügel etwas weiter oben. An Haken wie diesen wurden früher Vordächer eingehängt, die in den Hof hineinragten. So konnten Waren auch im Hof gelagert und halbwegs vor Wind und Wetter geschützt werden.

Das Palais Wunderlich – seit Mitte des 19. Jahrhunderts halb Fabrik- halb Wohngebäude – vereinte also großbürgerliche Wohnkultur und gewerblichen Betrieb.

Alle Abbildungen: © Palais Wunderlich