Station: [5] Die 2. Generation: Carl Denk


Ich kann das noch gar nicht fassen. Gestern saß er noch hier auf seinem Stuhl. Hat in den Musterbüchern geblättert, Anrufe entgegengenommen, Schriftstücke unterzeichnet. Hier, hier neben dem Schreibtisch, hängt noch seine Aktentasche. Es war doch alles wie immer! Ein ganz normaler Tag, ein ganz normaler Montag war dieser 22. November 1954.

Wenn ich gewusst hätte, dass ich meinen Chef, den Carl Denk, zum letzten Mal sehe, dann hätte ich mich anders verabschiedet. Ich hätte nicht einfach nur „Schönen Feierabend“ gesagt. Sondern … ja, was denn bloß?!

Ach Chef, was haben wir nicht alles miteinander erlebt: Den Ersten Weltkrieg haben wir überstanden, viele Angestellte sind damals an der Front gefallen. Und nach dem Krieg dann: ein ramponierter Maschinenpark, Weltwirtschaftskrise, Währungsreform. All das haben wir gemeistert.

Als die Engländer ab 1914 Baumwolle zur Bannware erklärten und die Einfuhr blockierten, was haben wir da gemacht? Improvisiert! Und Papiergarn zu Sandsäcken verwoben.Und als die Alliierten uns nach dem Zweiten Weltkrieg einen Großteil der Webmaschinen demontiert haben? Da haben wir Spielzeug und Puppen hergestellt. Und Holzhäuser für die französischen Soldaten.

Irgendwie ging es immer weiter, die Brennet stand nie komplett still. Stattdessen sind wir im Laufe der Jahre sogar noch gewachsen. Haben Spinnereien und Webereien dazugekauft, die Betriebsführung modernisiert, genauso das Marketing. Den Firmensitz haben wir von Stuttgart nach Öflingen verlegt.

So viel ist unter Carl Denk passiert. In die Spitzengruppe der deutschen Buntwebereien hat er die Brennet gebracht. Und trotzdem ist er immer still und bescheiden geblieben. Ein Kaufmann eben, durch und durch ein Gentleman.

Alle Abbildungen: © BRENNET Textilmuseum