Station: [2] Die Mechanikerwerkstatt


Auf dem Grundstück der heutigen Werkstatt befand sich im 19. Jahrhundert eine Ölmühle, die den Familien Zindel und Gasser gehörte. Um diese Ölmühle über ein Wasserrad antreiben zu können, hatten sie 1837 einen Gewerbekanal vom Dorfbach aus hierher gegraben. 1889 erwarb Mühlenbauer Kiebele das Anwesen und baute alles neu auf. Er geriet nach zwei Jahren in finanzielle Schwierigkeiten, das neue Gebäude musste versteigert werden. Ein Gastwirt aus Röhrenbach ersteigerte das Gebäude, das dann sieben Jahre später bis auf die Grundmauern abbrannte.

Doch mit dem Brand beginnt die Erfolgsgeschichte. Der Zimmermann Karl Widmer I. erwarb das Grundstück für seinen Sohn und plante ein neues Gebäude mit Mechanikerwerkstatt. Ein Mühlrad trieb die neuen Maschinen an. Hier reparierte Karl Widmer II. Landmaschinen aller Art. Die Nachfrage war groß; die Werkstatt profitierte von der Blütezeit der Mechanisierung und wuchs stetig. 1919 hatte man nach zwei Erweiterungen dann die heutige Werkstattgröße erreicht. Jetzt, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, stieg Karl Widmer III., geboren 1901, ein. Er hatte bei seinem Vater eine Mechanikerausbildung gemacht und arbeitete schließlich sein ganzes Leben lang in dieser Werkstatt.

Die Widmers reagierten mit großem Geschick auf alle Erfordernisse der damaligen Landwirtschaft. Schon 1902 hatte sich Karl Widmer II. eine Dreschmaschine besorgt, die er mit einem fahrbaren Dampfkessel betrieb. Damit war er in der ganzen Gegend zum Dreschen des Getreides unterwegs.

Später montierten Vater und Sohn Widmer zum Antrieb der Mähbalken kleine Fichtel-&-Sachs-Motoren auf Gespann-Mähmaschinen. Alte Autos bauten sie zu fahrbaren Spritzen für die Obstbaumpflege um. Dazu montierten sie einfach das Fahrgestell ab und bauten ein Zwischengetriebe ein. Ein Keilriemen trieb die Pumpe an, die das Baumschutzmittel aus dem aufgesetzten Holzfass pumpte. Über Druckschläuche wurden dann die bis zu sechs Meter hohen Obstbäume gegen Schädlinge gespritzt.

Was muss das für eine Erleichterung gewesen sein gegenüber den vorher üblichen schweren Spritzen, die man auf dem Rücken durch die Obstplantage trug.

Es war ein einzigartiges Zusammenspiel von Vater und Sohn Widmer: Dank ihres Erfindergeists, ihrer Entwicklungen und ihrer Ideen erleichterten sie die harte körperliche Arbeit in der Landwirtschaft. Immer wussten sie Lösungen, immer konnten sie die Nachfrage ihrer Kunden befriedigen.

Das galt bis in die Neunzigerjahre des 20. Jahrhunderts. In dieser Werkstatt spiegeln sich Beginn, Blütezeit und auch Verfall der Mechanisierung. Solange mit Erfindergeist, Erfahrung und Präzision Maschinen repariert und gefertigt werden konnten, so lange fanden die Tüftler hier Lösungen für die anfallenden Fragen. Erst als Elektronik und Digitalisierung zunahmen, verlor das hier gepflegte Wissen und Können seine Bedeutung.

Um das zu veranschaulichen, braucht es eigentlich nur einen Blick über die Maschinen in der Werkstatt und einen weiteren Blick an die Decke. Wie hier die Antriebe der gesamten Maschinen zusammenlaufen, ohne sich zu stören, wie Antriebsriemen über Riemenscheiben geführt werden und Zahnräder ineinandergreifen – hier versteht man mit einem Blick, warum die Werkstatt heute als „Tüftlermuseum“ bezeichnet wird.

Alle Abbildungen: © Gemeinde Frickingen