Station: [09] Schornsteinfragment Zeche Victoria


Diese Turmruine hat im Jahr 1979 einen regelrechten Medienzirkus ausgelöst. Ein Mitarbeiter des Ruhrlandmuseums hatte einen Inschriftenstein entdeckt. Auf ihm waren die Bergbauinsignien Schlägel und Eisen, die Initialen „W.N.“ und die Jahreszahl 1800 zu lesen. Das roch nach Sensation. Ein Zechengebäude aus dem Jahr 1800 war vorher nicht bekannt. Die Presse überschlug sich mit euphorischen Schlagzeilen: Die WAZ schrieb „Älteste Bergbau-Anlage Europas bei Essen entdeckt“ und die NRZ jubelte: „Ältester Zechenturm gefunden – Eine Sensation für das Ruhrgebiet“. Experten gratulierten dem Direktor des Ruhrlandmuseums Dr. Walter Sölter zum sensationellen Fund. Der Turm wurde als „missing Link“ in der Bergbauforschung und als erstes Objekt eines neuen Forschungszweigs gefeiert: Der Industriearchäologie. Für eine Ausgrabung stellte der Landschaftsverband Rheinland eine Förderung in fünfstelliger Höhe in Aussicht.

In der Bevölkerung jedoch regten sich Zweifel. Der Bergbauforscher Dr. Kurt Pfläging stellte eigene Recherchen an. Nur eine Ausgrabung konnte Klarheit bringen. Dr. Pfläging behielt Recht: Der Turm ist der Schornsteinsockel des Kesselhauses der Zeche Viktoria aus dem Jahr 1890. Mit dem Kesselhaus war er durch einen unterirdischen Rauchabzug verbunden. Dr. Sölter nahm die Niederlage sportlich und sagte „Industriearchäologie sei eben Neuland“. Mit seiner Ausgrabung im Deilbachtal leistete er jedenfalls Pionierarbeit. Heute hat sich die Industriearchäologie im Ruhrgebiet und weit darüber hinaus fest etabliert.

Der Inschriftenstein ist übrigens erhalten geblieben und Sie können diesen heute in der Ausstellung im Kutschenhaus des Kupferhammers besichtigen.