Station: [156] Mendelsohns Haus am Rupenhorn


„Geliebte Seele, wir haben ein Leben lang von diesem Haus
geträumt. Nun steht es und wartet auf Dich. Hell und froh – trotz aller Sorgen, die es bedeutet. Wartet auf die Erfüllung – auf die vollen reifen Jahre nach den schnellen leichtgefüllten der Jugend.
Schwerer Alles – aber reicher, ernster. Weil das Leben absteigt
und wirklich ernten will, weil die Welt enger ist und wirklich
begriffen werden will.
Ich rufe Dich wie in jungen Jahren zu diesem Leben, zu diesem
neuen Leben, zu dieser weiten Aussicht – in dieses Traumland
der Wirklichkeit.
Dich und unser Kind mit aller Liebe und Zärtlichkeit.
Deiner.“

In diesem Brief vom 30. Juni 1930 verkündet Mendelsohn seiner Frau Luise die Fertigstellung ihres Privathauses am Rupenhorn 6 in Berlin. Bereits seit 1915 hatte er immer wieder ein Haus für seine Familie, die in drei Zimmern der Pension Westend in Berlin wohnte, entworfen. Doch erst 1928 fanden er und Luise ein passendes Grundstück: mit spektakulärer Aussicht auf den Stößensee. Zwei Jahre später war das Gebäude fertig, ein wichtiger Meilenstein für Mendelsohn. Denn damit  konnte er Luises Familie beweisen, dass er ihrer würdig war.

Für das Haus hatte Mendelsohn auch eigenhändig die Möbel entworfen. In Anlehnung an die Musik kann hier von der „Orchestrierung eines Gesamtkunstwerks“ gesprochen werden.

Das Musizieren spielte bei den Mendelsohns eine bedeutende Rolle. Luise war eine professionell in Königsberg, London, Leipzig und Berlin ausgebildete Cellistin, als sie 1915 Mendelsohn heiratete. Daher stand bei Erichs Entwürfen stets das Musikzimmer im Mittelpunkt. Dieses und das Speisezimmer befanden sich nun im Erdgeschoss. Im Sockelgeschoss waren Personal- und Gymnastikräume untergebracht, im Obergeschoss die Privaträume der Familie. Die Terrasse an der Ostseite diente Musik- und Theateraufführungen. Ein besonderes Highlight war das versenkbare Panoramafenster, das die Westterrasse mit der Halle verband.

Das Haus ist Mendelsohns Antwort auf die Vorstellung vom Haus als einer Wohnmaschine, wie sie zeitgleich von Le Corbusier propagiert wurde. Die Konzeption ist klar und einfach. Sie verbindet  Kunst, Technik und Natur zu einer neuen Synthese.

Die Jahre im Haus am Rupenhorn waren für  die Mendelsohns sehr glücklich. Es war ein Treffpunkt bedeutender Persönlichkeiten aus Politik und Kultur. Bei Hauskonzerten musizierten sie unter anderem mit Albert Einstein. Doch bereits nach drei Jahren, im März 1933, nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, entschlossen sie sich, Deutschland und damit auch ihr Haus am Rupenhorn zu verlassen. Das Mobiliar wurde in London eingelagert und erst nach 14 Jahren in San Francisco wieder ausgepackt.

Über ihre Emigration berichtet die Medienstation in der Sitznische.