Station: [12] Navigationsunterricht auf Föhr


M: Die Föhrer Seeleute waren nicht nur begabte Segler. Sie hatten auch eine ganz besonders gute Ausbildung. Natürlich gingen sie
wie alle Kinder zur Schule, wo sie Lesen und Schreiben und Rechnen lernten. Aber um Kapitän oder Steuermann zu werden, reichte
das nicht. Also gab es auf Föhr ganz besonderen Unterricht, wenn man Seemann werden wollte, und das wollten damals fast alle Jungen. Sie lernten also alle möglichen Berechnungen, die man als Hochseekapitän so braucht. Wie das genau ablief? Jens Jakob Eschels erinnert sich:

Eschels: Da ich die Steuermannskunst erlernen wollte, besuchte ich […] die Steuermannsschule, und zwar abends von 6 bis 12. Denn tagsüber hatte der Lehrer Nickels Wögens, welcher auch in jüngeren Jahren zur See gefahren war […] keine Zeit. Jeder Schüler brachte immer seine Rechentafel mit und diese musste jeden Abend vollgerechnet werden. Ich war bald so weit, dass ich die Aufgaben schon lange vor 12 Uhr gerechnet hatte. Und um die übrige Zeit nicht müßig zu sitzen, machte ich einen Strich längs der Mitte der Rechentafel und so konnte ich doppelt so viele Aufgaben auf meine Rechentafel schreiben als die anderen. Am Tag drauf wurden die Aufgaben von der Tafel in mein Steuermannsbuch geschrieben, welches ich noch heute aufbewahre.
Ich rechnete an 35 Abenden die ersten beiden Rechenbücher durch, bezahlte für jeden Abend einen Schilling und habe hernach an
25 Abenden noch einmal durchgerechnet, wofür ich ebenfalls einen Schilling pro Abend bezahlte; so dass mein Lernen der Navigation mich nur 60 Schilling gekostet hat.

M: Und das war viel weniger, als man an anderen Orten für eine gute Navigationsausbildung bezahlen musste. Und weil jede Föhrer Familie es sich leisten konnte, konnten auch viele junge Männer diese Berechnungen lernen… und später erfolgreiche Kapitäne werden. Ganz schön schlau!

Eschels, Lebensbeschreibung eines alten Seemanns, S. 15.

Fotos: © Dr.-Carl-Häberlin-Friesen-Museum