Station: [16] Mansarde mit kleiner Ausstellung


Haben Sie bis hierher, bis ganz nach oben gefunden? Und sind die steile Hühnerleiter hochgeklettert? Sie sind wirklich mutig. Hier oben, in der Mansarde, Sie sehen schon, hier ist alles ein wenig schief. Das Süße Löchle ist eben ein wirklich altes Haus.

Früher – ach! – vor über 60 Jahren, als ich noch ein junges Ding war, da hat hier oben der Herr Wehrdt, der Klavierlehrer, geschlafen. Richtig gemütlich war das aber auch nicht. Denn die kleinen Räume drumherum, das waren die Speicherräume. Da haben meine Tante Gertrud und später ich alles abgestellt, was wir nicht mehr brauchten. Und später… wenn die Kinder – meine eigene Nichte zum Beispiel – wenn die nicht folgsam waren, dann mussten sie hier oben auf dem Speicher schlafen. Ich kann Ihnen versichern, das war eine harte Bestrafung!

Heute… heute sieht es hier aber sehr viel wohnlicher aus. Ja, die Kaffee- und Kekskisten… die waren immer schön anzusehen. Und heute sind sie echte Sammlerstücke. Und dort hinten…

… ach, die alten Backformen und Messbecher und Schneebesen und Ausstechformen… und auch die alten Osterhasenformen, die ich immer so eine Mühe hatte, zusammenzusetzen. 

Na ja, wir haben ja auch bald damit aufgehört. Die letzten roten Zuckerhasen… warten Sie mal… die haben wir irgendwann Anfang der 40er Jahre hergestellt. Und dann wurden die Lebensmittel knapp und nach dem Krieg haben die Menschen nur noch die industriell gefertigten Sachen kaufen wollen. 

Aber ins Café gekommen sind sie immer noch gerne. „Ach, Frau Seidl“, haben sie gesagt, „man fühlt sich bei Ihnen wie in eine andere Zeit versetzt!“ Na, mich freut es ja, wenn die Menschen mein Café mögen. Denn dem Süßen Löchle habe ich ja mein ganzes Leben gewidmet. Und das haben mir meine Kunden auch anerkannt. Jetzt, auf meine alten Tage, haben sie einen Verein gegründet, um das Süße Löchle zu retten. Das Café, das betreiben mittlerweile andere Leute. Ich bin zu alt dafür. Aber der Verein, der sorgt dafür, dass ich bis zum Ende meiner Tage hier wohnen bleiben kann. Das ist wirklich eine tolle Sache, für die ich sehr dankbar bin. Aber wie es wohl später hier mal aussehen wird, wenn ich einmal nicht mehr bin? Ob dann das ganze krumme und schiefe Haus abgerissen und durch einen Neubau ersetzt wird? Ob dann hier immer noch Kaffee getrunken werden kann? Wer mag das wohl wissen?

So endet unsere Geschichte. Frau Seidl ist im September 2015 gestorben… doch ihr Café gibt es noch immer! Es ist liebevoll instandgesetzt worden und empfängt wie eh und je Besucher zu Kaffee und Kuchen… zu Ausstellungen, kleinen Konzerten und Familienfeiern. Frau Seidl wäre bestimmt zufrieden mit ihrem Süßen Löchle!

 

 

Foto: © Wagner Roland und Adelheid, Lahr