Station: [3] Caféraum


Guten Tag, Herr Wickertsheimer. Schön, dass Sie uns auch wieder mal beehren.

Ach, das Fräulein Hildegard! Haben Sie sich eingelebt hier bei uns in Lahr und in Ihrer neuen Aufgabe?

Ja, freilich, Herr Wickertsheimer. Gut gefällt es mir hier.

Na, in diesem gemütlichen Conditorei-Café lässt es sich ja auch aushalten. Da haben Sie es gut getroffen, hier bei Ihrer Tante. Obwohl… die Einrichtung des Cafés scheint mir doch manchmal etwas in die Jahre gekommen. Die schweren roten Vorhänge und – mit Verlaub – die Tapeten sind doch schon ziemlich vergilbt und verraucht. Von wann ist die Einrichtung gleich?

Also, nach allem, was ich weiß, hat der Herr Hildebrand sie nach dem großen Krieg, im Jahr 1921, einbauen lassen. Als Neuanfang sozusagen…

Ach, der Carl Hildebrand! Ja, an den kann ich mich auch noch gut erinnern. Hat auch hier geschafft, bevor er das Café an Ihre Tante weitergegeben hat.

Der Hildebrand und seine Frau Else. Aber warte mal… 1921… dann ist die Einrichtung jetzt… knapp 20 Jahre alt. Eigentlich kein Alter…

Ja, und meine Tante sagt, die Möbel sind zeitlos. Die Tische mit den Marmorplatten und die Sitzbänke aus Kunstleder und der schlichte Kleiderständer… das überlebt sich nicht, sagt meine Tante. Und es sieht ein wenig aus wie in den berühmten Caféhäusern in Wien.

„Art Déco“ heißt der Stil, junges Fräulein.

Art Déco…

Und Ihre Tante hat recht. Das ist durchaus ein zeitloser Stil, der auch noch in vielen Jahren ein heimeliges Ambiente verbreiten wird.   

Ja, also eigentlich hatte der Herr Hildebrand ja vorgehabt, die ganze Konditorei umbauen zu lassen und auch von außen alles neumachen zu lassen. Und einen hübschen Erker wollte er draußen an die Fassade hängen lassen und einen Balkon einrichten, im ersten Stock. Aber da kam dann die Inflation und das Geld war dahin und dann hat es nur für Innen gereicht.

Aber das, junges Fräulein, war doch vor Ihrer Zeit. Nicht wahr?

Ein Jahr vor meiner Geburt. Aber ich habe viel davon reden gehört. Von der Inflation…

… und von den amüsiersüchtigen 20er Jahren! Als die Frauen die Haare kurzgeschnitten trugen und Charleston tanzten… mit Zigarettenspitze!

Ja, davon habe ich auch gehört. Aber doch nicht hier in Lahr?!

Na, wer weiß, wer weiß! Dieser schöne Parkettboden… der würde sich jedenfalls bestens zum Tanzen eignen. 

Meinen Sie wirklich, Herr Wickertsheimer?

Na, ich will nichts gesagt haben! Schließlich sind die 20er Jahre vorüber und heute sind andere Zeiten.

Jawohl, Herr Wickertsheimer. Aber… was darf ich Ihnen jetzt bringen?

Ooch, ich nehme… ein Tässchen Kaffee mit Sahne und ein Stückchen Schwarzwälder Kirsch. Ich bin nämlich ganz begeistert, dass es jetzt auch eine Torte gibt, die den Namen meines geliebten Schwarzwalds trägt… und auch noch so gut schmeckt!

Sehr wohl, Herr Wickertsheimer!

Und Hildegard, seien’s so gut und bringen‘s mir noch die Zeitung.

Woll‘n doch mal sehen, wie die Welt so steht… und ob die Zeichen nicht schon wieder auf Krieg stehen…

 

 

Foto: © Wagner Roland und Adelheid, Lahr