Station: [6] Büste Hildegard Seidl


Ach, wer hat mich denn hier aufgestellt? 

Direkt auf dem neuen Ofen. Den alten, den mussten wir ja abreißen lassen… schön war der, mit besonders prächtigen Kacheln. Aber irgendwann in den 60ern hat der Kaminfeger protestiert und gesagt, der sei nicht mehr sicher. Na gut, seitdem gibt’s den kleinen, Ofen, die einzige Heizung hier unten. Schön warm im Winter ist er trotzdem!

Im Winter ist das für die meisten Gäste immer der beste Platz: einen schönen Kakao trinken, direkt am Ofen.

Und ich… ich habe es mir besonders gemütlich gemacht, mit meiner hellblauen Strickjacke und der Perlenkette. Ja, adrett aussehen, das muss man schon, in meinem Beruf. Aber wenn ich’s mir recht überlege: Je älter ich werde, desto mehr sehe ich meiner Tante ähnlich.

Schauen Sie mal: So sah die Trudel Hauser aus. Sie sitzt genau hier, am neuen Ofen. Ist die Ähnlichkeit nicht verblüffend? Im Alter selbstverständlich.

Denn als junges Ding…
… da hätte man mich nicht mit der Trudel verwechselt.

Ein aufgewecktes Mädchen war ich. Aber auch resolut. Ich wusste eben, was ich wollte. 

Der Herr dort neben mir, das ist übrigens der Herr Wehrdt, der auch hier gewohnt hat. Als Untermieter. Wilhelm Wehrdt. Er hat oben in der Wohnung Klavier- und Cello-Unterricht gegeben. Und wenn ein Kind besonders gut geübt hatte, dann gab es nach der Stunde, beim Gehen, eine Kugel Vanilleeis – selbstverständlich auf Kosten des Hauses.

Ach! 65 Jahre lang habe ich hier geschafft…und gewohnt! Ein ganzes Menschenleben!

Ich darf schon von mir behaupten, bei aller Bescheidenheit, dass ich eine echte Lahrer Institution war. Und heute – da schaue ich mir den Betrieb und höre ich mir den Lärm in meinem alten Café an, und denke mir: Es waren doch gute 65 Jahre!

 

 

Foto: © Wagner Roland und Adelheid, Lahr