Station: [3] Der Temple de Charenton


Eine Gemeinde versammelt sich zum Gottesdienst. Eigentlich eine ganz gewöhnliche Szene. Und trotzdem, vieles ist hier anders als auf bekannten Bildern von Kirchenräumen: In dieser Kirche hängt kein Kreuz und der gesamte Kirchenraum ist in ein ungewöhnliches weißes Licht getaucht. Es fehlt jede Opulenz und Farbe. Auch die Kirchenfenster bestehen nur aus klarem Glas. An den Wänden hängen keine Gemälde, und es gibt auch keinen Altar. 
Das große Wandbild zeigt einen Ausschnitt eines Aquarelles aus dem 17. Jahrhundert. Sie sehen eine Kirche in Frankreich, den Tempel von Charenton, während des Gottesdienstes. Der Temple von Charenton war ein Vorbild für viele reformierte Kirchenbauten in und außerhalb Frankreichs, bis er auf königliche Anordnung im Jahr 1685 abgerissen wurde. 
Nach der reformierten Lehre ist ein Kirchengebäude selbst kein heiliger Ort oder Wohnhaus Gottes. Im Mittelpunkt steht hier die Gemeinschaft der Gläubigen, die Versammlung zum Gottesdienst und die Predigt. 
Der Reformator Johannes Calvin formuliert in seiner „Unterweisung in der christlichen Religion“ die Leitidee des protestantischen Gottesdienstes:
Nur muss dabei alles Gepränge und alles Haschen nach menschlichem Ruhm wegbleiben, und es muss lautere, wahre Andacht herrschen, die im Verborgenen des Herzens wohnt. 
Altäre, Kreuze, Reliquien und jegliche Bilder wurden aus der Kirche verbannt, so wie es im Bilderverbot der 10 Gebote Gottes befohlen wird. Nur die zwei Tafeln mit den 10 Gebote hängen als einziger Wandschmuck und als Wort Gottes auf dem Bild ganz oben, über der Gemeinde.
Die Kanzel für die Predigt ist von nun an der Mittelpunkt, drum herum sitzt die Gemeinde auf den hufeisenförmig angeordnet Bänken. Orgelmusik und das mehrstimmige Singen von nichtbiblischen Liedern, hat Calvin aus dem reformierten Gottesdienst verbannt. Dagegen war das gemeinsame Singen von biblischen Psalmen ein wichtiger Bestandteil.

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