Station: [6] Umbruchzeiten


Der kontinuierliche Aufschwung der Bürgeler Töpferei findet um 1860 ein jähes Ende. Die Industrialisierung erfasst Deutschland und mit ihr überschwemmen zahlreiche Konkurrenzprodukte aus Fabriken den Markt:

Zunächst: das Porzellan. Es gilt als hochwertiger und eleganter und bedient den bürgerlichen Einrichtungsgeschmack weit besser als die rustikale Keramik. Die Flaschen der Glasindustrie sind attraktivere Aufbewahrungsmöglichkeiten als ihre plumpen Geschwister aus Keramik. Und Emaille-Geschirr ist strapazierfähiger und dazu noch bruchsicher.

Den Bürgelern stellte sich die Frage, wie man auf dieses neue Marktumfeld reagieren und den eigenen Absatz sichern kann. Mit Unterstützung der Großherzoglichen Landesregierung von Sachsen-Weimar-Eisenach entstehen mehrere Tonwarenfabriken, die nun neben Gebrauchskeramik auch Kunst- und Ziergefäße in kleinindustrieller Manier fertigen. Diese neuen Produkte greifen die Formen des Historismus und der Neo-Renaissance auf und bedienen das bürgerliche Lebensgefühl der Gründerzeit.

Auch handwerklich gehen die Bürgeler Töpfer neue Wege: Man fertigt im Gießverfahren. Die Ofenkachel mit dem Löwenmotiv in der Vitrine verdeutlicht die damit verbundenen Arbeitsschritte: Aus einem Gipsblock wird ein Modell hergestellt, das die Form des späteren Produkts hat. Von diesem Modell wird – ebenfalls in Gips – die Gießform abgenommen.

In diese Gipsform wird flüssiger Ton eingegossen. Der Gips entzieht dem Ton die Feuchtigkeit, trocknet ihn an den Außenseiten und lässt dort eine dünne Wandschicht erstarren. Nach einigen Minuten kann der überschüssige Ton abgegossen werden. Nach einer weiteren kurzen Wartezeit wird die Gießform geöffnet und das Werkstück entnommen und gebrannt.

1880 wird das Bürgeler Museum eingerichtet, als Schausammlung und Inspirationsquelle. Es dokumentiert die eigene Tradition, weist aber auch über sie hinaus. Denn das Museum sammelt auch Keramik aus anderen Regionen und ermöglicht so den örtlichen Handwerkern den Zugriff auf auswärtige Produkte. Gleichzeitig entsteht eine Modellier- und Zeichenschule. Sie wird von den Jungen des Ortes und Töpferlehrlingen besucht. Hier erlenen sie Kunstfertigkeiten für die Herstellung von Gießmodellen.

Die zwei opulenten Prunkvasen verweisen jedoch schon auf ein neues Dilemma, in dem die Bürgeler Töpfer Ende des 19. Jahrhunderts stecken: Die prächtigen Gefäße mit ihren antikisierenden Ornamenten zeugen zwar von höchster handwerklicher Perfektion. Doch bereits um 1900 wirken diese überladenen Formen wie aus der Zeit gefallen. Den Bürgeler Töpfern droht die nächste Krise.