Station: [5] die Warsteiner Muttergottes


Copyright Foto: Ansgar Hoffmann / Archiv Museum Haus Kupferhammer

Frauenstimme Therese:

[schelmisch] Lieber junger Freund, Sie mögen ja vielleicht denken: „Die Therese, das ist doch eine alte Schachtel, wie aus einem anderen Jahrhundert“…

 

Männerstimme:

Wie könnte ich verehrteste Frau Bergenthal! Das käme mir nicht in den Sinn!

 

Frauenstimme Therese:

Gut, gut. Das beruhigt mich. Denn jetzt möchte ich Ihnen die tatsächlich älteste Person des ganzen Hauses vorstellen. [feierlich] Die berühmte Warsteiner Muttergottes.

 

Männerstimme:

Die Statue hier im Zentrum Ihres schönen Wintergartens?

 

Frauenstimme Therese:

So ist es. Sie ist um 1350 gefertigt worden, ist also schon Hunderte Jahre alt. Und ich muss Ihnen gestehen, ich habe mich gleich in ihr geheimnisvolles Lächeln verliebt. Mit ihrer zurückgenommenen Eleganz ist sie ein echtes Meisterwerk, finden Sie nicht?

 

Männerstimme:

Unbedingt, Frau Bergenthal!

 

Frauenstimme Therese:

Sie stammt übrigens aus einer westfälischen Kirche, die im Zuge der napoleonischen Kriege aufgelassen wurde. Genau wie die anderen, die kleineren Heiligenfiguren hier im Raum. Als wir sie übernahmen, hatten die Skulpturen schon ziemlich gelitten und die bunte Bemalung war unansehnlich geworden. Also haben wir sie erst einmal von Grund auf reinigen und die Farbe abnehmen lassen. Das edle Weiß des Steins steht unserer Muttergottes doch sowieso viel besser, finden Sie nicht? Es handelt sich übrigens um Sandstein aus den Baumbergen im Münsterland. Doch leider – das muss ich zugeben – hat der Handwerker, dem wir die Figuren übergeben haben, etwas zu viel des Guten getan und die Muttergottes mit einer rauen Drahtbürste bearbeitet. Wenn Sie genau hinschauen, sehen Sie an einigen Stellen noch die Striemen auf ihrem Gewand.

 

Männerstimme:

Und man sollte meinen, werte Frau Therese, dass die Muttergottes einst auch ein Jesuskind trug, nicht wahr?

 

Frauenstimme Therese:

Ja, so ist es. Hier, mit ihrem rechten Arm, dürfte sie es gehalten haben. Arm und Jesuskind waren aus einem zweiten Steinblock gehauen und sind offenbar irgendwann abgebrochen. Doch gehen Sie ruhig einmal um die Figur herum. An der linken Seite, auf Höhe der Hüfte, erkennen Sie noch das Füßchen des Kindes unter ihrem Gewand.

 

Männerstimme:

Tatsächlich! Aber wie schade, dass die Figur nicht vollständig ist.

 

Frauenstimme Therese:

Sie sagen es, Sie sagen es, junger Freund. Aber ich denke mir immer: Die Venus von Milo hat auch keine Arme mehr. Und ist sie deswegen weniger bewundernswert? Natürlich nicht! Ich bin jedenfalls sehr stolz auf unsere Muttergottes. Und ich finde, hier in unserem schönen Wintergarten kommt sie hervorragend zur Geltung.

Ursprünglich stand sie drüben in unserem großen Park. Und der ist ja mittlerweile auch zu einem schmalen Streifen zusammengeschrumpft. [nachdenklich] Von den 28 Figuren, die mein Wilhelm gekauft hat, scheinen auch nur noch diese fünf hier übrig zu sein. Und auch meine Blumen und Vogelkäfige, die einst hier im Wintergarten standen, sind verschwunden! Hmm… [entschieden] Doch immerhin haben Sie jetzt einen schönen Blick auf unseren Garten und die dahinterliegende Gräfte. „Unser kleines Wasserschlösschen“ sage ich immer, denn mit der Gräfte und den Teichanlagen ist Haus Kupferhammer an mehreren Seiten von Wasser umgeben.

Am besten erkennen Sie die Teiche aus dem Obergeschoss, in das ich Sie mir jetzt zu folgen bitte. Dort haben mein Mann und ich unsere Privaträume. Gehen Sie dafür bitte durch den Flur zurück und bis zur Treppe. Da auch unser Treppenhaus einen Blick wert ist, finden Sie am Fuß der Treppe die Nummer 7.