Station: [27] NS-Zeit


F: „Lieber Vater, liebe Degen!

Wenn Ihr diesen Brief bekommt, dann haben Rudi und ich uns erschossen. Trotz der Schwierigkeiten sind wir zusammen gekommen. Ich danke euch von ganzem Herzen für alles, was Ihr für mich getan habt, denn mehr konntet Ihr wirklich nicht tun und ich bin euch so dankbar, denn Ihr habt mich sorglos leben lassen. Es ist alles Schicksal u. Bestimmung.“

M: Diese erschütternden Abschiedsworte schrieb die 20-jährige Siegburger Jüdin Ilse Fröhlich. Am 13. Juni 1939 nahm sie sich gemeinsam mit ihrem katholischen Verlobten Rudolf Marx das Leben. Ihre Liebe galt nach den Rassengesetzen vom 16. September 1935 als Rassenschande. Wir erinnern in diesem Raum mit Brief und Fotos an das Schicksal der Ilse Fröhlich.

F: Die Zeit des Nationalsozialismus erschütterte Siegburg genauso wie den Rest Deutschlands. Die Arbeitslosenzahl war hoch, besonders, nachdem die beiden großen Rüstungsfabriken nach dem Ende des 1. Weltkriegs schließen mussten. Im Januar 1933 kamen die Nationalsozialisten in der letzten freien Wahl an die Macht.

M: Die NS-Diktatur wirkte in Siegburg wie überall im Reich. Drei wesentliche Merkmale wollen wir am Siegburger Beispiel aufzeigen: Die Gleichschaltung der Gesellschaft nach den Vorstellungen der Nazis, Ausübung der Macht durch Gewalt und Propaganda und der Rassenwahn, der im Holocaust gipfelte.

F: Die Gesellschaft wurde systematisch auf den Krieg vorbereitet. Kinder spielten mit dem Luftverteidigungs-Spiel, – Sie sehen es links in der Vitrine, – malten Bilder mit kriegerischen Motiven aus oder sammelten sogenannte Zigarettenbilder mit NS-Propaganda.

M: Und das Denkmal des SS-Mannes Franz Müller? Wir haben es gestürzt. Er kam 1933 bei einer Schießerei vor dem Haus der Sozialdemokraten ums Leben. Die Nazis erhoben ihn zum Märtyrer. Er gehört zur Siegburger Geschichte, doch ein Denkmal wollen wir ihm nicht setzen.

F: Wir dürfen diesen Teil der deutschen und auch der Siegburger Geschichte nicht vergessen …

M: … und gedenken weiterhin der Opfer. In Siegburg in der Kaiserstraße 20 liegt vor dem Geburtshaus der Ilse Fröhlich ein Stolperstein: „Gedemütigt, entrechtet, Flucht in den Tod. 12. Juni 1939.“

 

Foto: © Dagmar Trüpschuch