Station: [8] Installation „Pfarrer Umfrid – damals und heute“, Glockenturm


Zitator: Was gestern in dieser Stadt geschah, das war nicht recht“, …

F: …rief Pfarrer Hermann Umfrid im März 1933 von der Kanzel.

M: Diese Worte stehen spiegelverkehrt auf dem Gehweg vor der Kirche. Erst wenn Sie in den Rundspiegel schauen, können Sie sie lesen. Doch was war passiert?

F: Hermann Umfrid war von 1929 bis 1934 Pfarrer der evangelischen Kirchengemeinde St. Jakob. Er war beliebt, galt als weltoffen und modern, er spielte Geige, er hatte einen guten Draht zur jüdischen Gemeinde. Bis sich am 25. März 1933 das Blatt wendete.

M: Eine Horde grölender SA-Leute fiel knapp zwei Monate nach der Machtübernahme der Nazis in Niederstetten ein, durchsuchte die Häuser jüdischer Einwohner und schlug sie brutal zusammen. Einige wurden lebensgefährlich verletzt.

F: In vielen Orten im Taubertal kam es an diesem Tag zu organisierten Ausschreitungen. In unserem Nachbardorf Creglingen sogar mit Todesopfern. Das Jüdische Museum Creglingen erinnert an das Pogrom vom 25. März 1933 – auch mit einer Audioführung.

M: Tags darauf im Sonntagsgottesdienst erhob Pfarrer Umfrid seine Stimme: 

Zitator : „Was gestern in dieser Stadt geschah, das war nicht recht“,

F: rief er von der Kanzel.

Zitator: „Helfet alle, dass der Ehrenschild des deutschen Volks blank sei!“

F: Seine Predigt blieb nicht ohne Folgen. Während ein Teil der Gläubigen ermutigt nach Hause ging, forderten andere ihn auf, die Predigt zu widerrufen. Pfarrer Umfrid weigerte sich. Doch der anfängliche Rückhalt, den er in Teilen der Bevölkerung hatte, bröckelte nach und nach.

M: „Politik gehört nicht auf die Kanzel“, hieß es. Pfarrer Umfrid jedoch unterstützte weiterhin seine jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen gegen die fanatischen Nazis. Unbeirrt!

F: Im Januar 1934 fordert der Kreisleiter den Pfarrer auf, sein Amt niederzulegen. Auf Solidarität seitens der Bevölkerung konnte Umfrid nicht mehr hoffen. Nach einem Nervenzusammenbruch nahm er sich am 21. Januar 1934 das Leben. Er wurde 42 Jahre alt. Er hinterließ eine Frau und vier Töchter.

M: Und die Jüdinnen und Juden Niederstettens verloren einen ihrer wichtigsten Fürsprecher.

F: Hermann Umfrid zu Ehren wurde im Oktober 2021 der „Tachelespfad“ mit sechs Stationen eingeweiht. Die Installation hier an der Kirche erinnert an den Pfarrer, der „Tacheles“ redete und sich den Mund nicht verbieten ließ. Sie ist eine von sechs Stationen gegen das Vergessen.

M: Auch Ihre nächste Station ist Teil des Tachelespfads. Sie befindet sich in der Rathausgasse 2.

Fotos: © Trüpschuch