Station: [101] Die Giebelfront


M: Ein stattliches Tor, ein solides Fachwerk, zwei verschiedene Sorten von Backsteinen, bleiverglaste Fenster – kein Zweifel! In einem solchen Haus wohnte ein wohlhabender Bauer mit Familie, Knechten, Mägden… und dem Vieh.

F: Dass die Giebelfront des Hauses zweifarbig gestaltet ist, dürfte kein Zufall sein: Der untere, rote Backstein aus Lauenburger Ton ist ein hierzulande übliches, leicht erhältliches Baumaterial. Der gelbe Backstein hingegen musste eigens aus Harlingen in den Niederlanden importiert werden. Für die Bauernfamilien des Ammerlandes ein echtes Statussymbol!

M: Die eingeschnitzte Jahreszahl „1909“, die Sie auf dem runden Türbalken links oben sehen, deutet auf die Errichtung des Hauses hier auf dem Gelände des Freilichtmuseums. Das Fachwerk und die Inneneinrichtung sind jedoch deutlich älter!

F: Gegenüber, auf dem rechten Türbalken, erkennen Sie ein Hauszeichen: zwei gekreuzte Wolfsangeln, umschlossen von einem Sonnenrad. Solche Hauszeichen – plattdeutsch „Handteken“ – waren im ganzen Ammerland weit verbreitet. Wenn Sie wissen wollen, was sie bedeuteten und wie viele es gab, gehen Sie einfach in den Spieker. Auf dem Kornboden – heute der obere Speisesaal des Restaurants – erwartet Sie eine ziemlich vollständige Übersicht.

M: Die Grootdör – die zentrale Eingangstür des Hauses – stand den Sommer über meistens offen. Das Vieh war draußen auf der Weide und die Menschen ließen Licht und frische Luft ins Haus. Damit die Schweine nicht rein- und rausliefen, gab es den Zingel, das doppelte Gartentor, das vor der offenen Grootdör geschlossen werden konnte.

F: Das Federvieh hingegen genoss mehr Freiheiten. Links unten in der Ecke sehen Sie ein kleines, quadratisches Loch im Mauerwerk. Das ist ein Schlupfloch – eine Art Katzenklappe, durch die die Hühner nach Belieben rein- und rausrennen konnten.

M: Ganz oben im Reetdach, kurz unter dem Dachfirst, hatten die Eulen ihr Versteck. Das „Ulenlock“ war eigentlich zur Belüftung des Innenraums gedacht – als Rauchabzug. Doch Schleiereulen und Käuze nahmen diesen Unterschlupf gerne an und nisteten dort. Den Menschen war es recht, denn die Eulen kümmerten sich um die Mäuse, die sonst die Kornvorräte und den guten Ammerländer Schinken angeknabbert hätten.

F: Dass die kauzigen Gesellen bis heute nicht aus den Bauernhäusern des Ammerlandes verschwunden sind, zeigt ein Foto, das Sie jetzt auf Ihrem Bildschirm sehen. Es ist erst vor wenigen Jahren auf einem Hof ganz hier in der Nähe entstanden.

Fotos: © Tanja Heinemann, © Almut Neumann