Station: [357] Die Schocken-Bibliothek in Jerusalem


1934, auf der Höhe seiner Karriere, nahm Salman Schocken seinen Reisekoffer und verließ das Deutsche Reich. Damit wurde er heimatlos. Ein Schicksal, das er mit vielen Juden teilte: Man fühlte sich deutsch, man sprach deutsch, aber durfte es im nationalsozialistischen Deutschland nicht mehr sein.

Mit Salman Schocken zogen auch über 200 Bücherkisten von Berlin nach Jerusalem um. Sie wurden auf dem Postweg transportiert oder über Hamburg verschifft. Schocken ließ eigens für diesen Zweck Holzkisten anfertigen und durchnummerieren. Nur so konnte er den Überblick über seine Bücherschätze behalten. In den Kisten befand sich eine Liste mit den enthaltenen Buchtiteln.

Unweit des Schocken-Wohnhauses in der Jerusalemer Balfour Street hatte Erich Mendelsohn ein eigenes Bibliotheksgebäude für Schocken entworfen. Das Gebäude mit der eleganten wohlproportionierten Fassade aus rosafarbenem Jerusalemer Sandstein ist mit einem horizontalen Fensterband und verglasten Treppenhäusern ausgestattet.

Mendelsohn ließ sich bei seinen Entwürfen von der damals noch offenen Landschaft inspirieren, den kahlen nach hinten gestaffelten Bergkuppen und den Silhouetten der arabischen Dörfer. Diese standen für ihn im völligen Einklang mit der umgebenden Natur. Eine Verbindung von europäischer Moderne und arabischer Architektur, das war sein Traum!

Auch die Inneneinrichtung stammt aus Mendelsohns Hand: elegante Treppengeländer und Türklinken aus Stahl, Bücherregale aus hellem Zitrusholz, Tische, Stühle und Schirmständer sowie Wasch- und Toilettenräume. Wie bei vielen anderen Gebäuden, zum Beispiel seinem eigenen Haus, orchestrierte er hier ein Gesamtkunstwerk. Mendelsohns Haus am Rupenhorn in Berlin können Sie im Modell in der ersten Erkeretage betrachten.

Da der Lesesaal einer Bibliothek ruhiges Nordlicht benötigt, ließ ihn Mendelsohn mit einer Fensterreihe in der Nordwand ausstatten. Diese öffnet sich oberhalb der Bücherregale. Im Süden befindet sich ein schmaler vertikaler Erker, der im Modell gut zu sehen ist. Er zeigt im Inneren den Tageslauf der Sonne, ohne zu viel Sonnenlicht eindringen zu lassen. Diesen Erker hat Mendelsohn auch an anderen Gebäuden immer wieder zitiert.

Schocken legte Wert auf ein eigenes Studierzimmer im Kopfbau der Bibliothek. Der Lesesaal im Hauptflügel war öffentlich zugänglich. Hier forschten Mitarbeiter in den Beständen mittelalterlicher und vormittelalterlicher Dichtung und übersetzten Manuskripte. Scholem Gershom widmete sich hier ab 1939 dem jüdischen Mystizismus, der Kabbala.