Station: [29] Wenn die Bauern wüssten, wozu die wilden weißen Heiden gut sind…


„Wenn die Bauern wüssten, wozu die wilden weißen Heiden und die wilden weißen Selben gut sind, dann könnten sie mit silbernen Karsten hacken“.

Unermesslich reich sollte derjenige werden, der das Geheimnis um das weiße Heidekraut und den weißen Salbei löst. So geht eine Sage um den Wildweibchenstein und seine beiden Bewohnerinnen.

Werner Bergengruen griff diese alte Sage in seinem „Buch Rodenstein“ auf und spann daraus die hier zusammengefasste, spannende Erzählung:

Während die beiden wilden Frauen am Fels ihr Wissen zum Wohl der Bauern verwendeten, verlockte die Aussicht auf Reichtum einen jungen, habgierigen Burschen, den Bitsch Nickel.

Er knüpfte ein verzaubertes Netz, mit dem es ihm in einer Vollmondnacht gelang, eine der beiden Frauen zu fangen. Trotz all ihrer Bitten und Versprechungen beharrte der Bitsch Nickel darauf, sie erst frei zu geben, wenn sie ihm das Geheimnis der wilden weißen Heiden und der wilden weißen Selben verrät.

Weder der wilde Gesang noch die süßen, anrührenden Lieder der Gefangenen können ihn von seinem Vorhaben abbringen. Da verwandelt sich eines der Weibchen in seine Braut. Als er im Fieberwahn erkennt, dass es nicht seine Braut ist, die er in den Armen hält, schreit der Bitsch Nickel entsetzt auf, und, wie Bergengruen schreibt: „Er fühlte, dass dieser Entsetzensschrei die Kräfte des Lebens mit sich aus dem Leibe riss…“ Das Lachen der wilden Frau übertönte sein Sterben.

 

Text: Erika Schäfer, © Rodensteinmuseum
Illustration: © Clara Schulze-Möhring, Mühlheim/Main, mit freundlicher Erlaubnis