Station: [15] Maschinenbauhalle


Die große Maschinenbauhalle ist ein weiteres Gebäude, das im Zuge der Werkserweiterung im Ersten Weltkrieg errichtet wurde. Es ist ein Skelettbau aus Stahlbeton und beherbergt im Inneren eine 12 Meter breite freitragende Halle mit einem großen Glasdach. Heute wird dieser beeindruckende Industriebau für Veranstaltungen genutzt. 

In den 1920er Jahren hat die Rheinmetall begonnen in der Maschinenbauhalle Autoteile, vor allem Kardanwellen, herzustellen. Damit startete das Unternehmen hier in Sömmerda einen komplett neuen Produktionszweig. Innerhalb kürzester Zeit wuchs das Werk zu Deutschlands wichtigstem und bald auch einzigem Hersteller von Kardanwellen heran.

Kardanwellen haben in der Fahrzeugindustrie die Aufgabe, die Kraft und die Drehbewegung vom Getriebe auf die Räder zu übertragen. Sie bestehen aus Stangen und Kardanwellengelenken. Diese Gelenke ermöglichen die Getriebekraft nicht nur in einer Geraden, sondern auch über Winkel, in verschiedene Richtungen zu leiten. 

Die außergewöhnliche Erfolgsgeschichte dieses neuen Produktionszweigs ist vor allem dem Entwickler und Ingenieur Fritz Faudi zu verdanken. Faudi leitete im Rheinmetallwerk Düsseldorf das Ingenieursbüro und wurde nach Thüringen geholt, um hier in Sömmerda eine komplett neue Abteilung aufzubauen.

Gemeinsam mit einem Stab von Konstrukteuren entwickelte Faudi Kardanwellen und Gelenke sowie Schwingachsen für den zivilen Automarkt und pneumatisch gefederte Fahrgestelle für den Flugzeugbau. 

Faudis besondere Fähigkeit lag darin, einfache, solide konstruierte und günstige Bauteile zu entwickeln, die dem Werk schon bald die deutschlandweite Monopolstellung bei der Produktion von Kardanwellen einbrachte. 

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten verlagerte sich die zivile Produktion hin zur militärischen Fertigung. Ab sofort baute man Kardanwellen für Panzer, Militärfahrzeuge, Kriegsflugzeuge und für die Marine.

Im Zweiten Weltkrieg arbeiteten 2.500 Menschen in der Herstellung, zwei Drittel davon waren Zwangsarbeiter. Außerdem errichtet das Werk in Stadtilm in Thüringen eine weitere Kardanwellenfabrik, die als Gelenkwellenwerk Stadtilm bis heute besteht.

Nach dem Krieg ging die Kardanwellenproduktion in das Rheinmetallwerk nach Düsseldorf. Allerdings: Auch der VEB Büromaschinenwerk Sömmerda produzierte weiterhin für die Fahrzeugindustrie: Ab Mitte der 1950er Jahre liefen hier Motoren für das Moped Simson vom Band, insgesamt rund 1,3 Millionen Stück, bis man etwa 10 Jahre später die Produktion einstellte. 

Die Geschichte der großen Maschinenbauhalle blieb lebendig. Als idealer Versammlungsort war sie auch Schauplatz besonderer historischer Ereignisse: 1950 besuchte der erste Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl das Werk. Als er zur Belegschaft sprach, kamen hier in der Halle hunderte von Arbeiterinnen und Arbeitern zusammen, viele weitere drängten sich vor den weit geöffneten Fabriktoren.

Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Siegmar Radestock