Station: [9] Rechenmaschine 1


Die Rheinmetall Sömmerda wuchs in den 1920er Jahren zu einem erfolgreichen Betrieb für Büromaschinen heran. Das Unternehmen beschritt damit neue, zivile Märkte, nachdem es während des Ersten Weltkriegs als großer Rüstungsproduzent die deutsche Armee mit Waffen belieferte.

Neben Schreibmaschinen produzierte das Werk jetzt auch Rechenmaschinen für das Büro. Bis in die 1920er Jahre erledigte man die Geschäftskorrespondenz und Buchhaltung größtenteils noch handschriftlich. Mit der Herstellung von Büromaschinen erschloss sich die Rheinmetall in nur wenigen Jahren neue große Geschäftsfelder. Mit etwa einer Million Rechen- und Addiermaschinen zählt das Büromaschinenwerk Sömmerda zu den größten Herstellern mechanischer und elektromechanischer Rechenmaschinen überhaupt. Bei der Konstruktion der Büromaschinen waren die Erfahrungen in der feinmechanischen Metallverarbeitung durch die Waffenproduktion von großem Vorteil.

Die erste Rechenmaschine, die hier 1922 für den Markt konstruiert wurde, war eine Staffelwalzenmaschine mit Handkurbelantrieb. Die Maschine R IV beherrschte die vier Grundrechenarten. Für ihre Entwicklung holte die Rheinmetall den Experten Christian Berk ins Unternehmen. 

Die Konstruktion von Rechenmaschinen war eine sehr komplexe und zeitaufwändige Angelegenheit. Mit gerade mal 45 Maschinen startete das Werk die Jahresproduktion. 

Dem Werksingenieur August Kottman gelang einige Jahre später der große Durchbruch mit der Entwicklung einer elektro-mechanischen Rechenmaschine. Diese sogenannte 4 Spezimaschine konnte addieren, subtrahieren multiplizieren und dividieren. Bald darauf kam zudem die Addiermaschine auf den Markt, per Hand oder elektrisch betrieben. Diese Maschine hatte für die Buchhaltung den großen Vorteil, dass sie die Rechenschritte über einen Kontrollstreifen ausdrucken konnte. 

Seit den 1930er Jahren war die Rheinmetall mit einer ganzen Anzahl unterschiedlicher Rechen- und Addiermaschinen erfolgreich auf dem Büromaschinenmarkt vertreten, dazu kamen große Aufträge für die Rüstungsindustrie. 

Es folgte eine umfangreiche Werkserweiterung: Dabei entstand auch das Gebäude Rechenmaschine I. Die Architektur verweist bereits auf den erwarteten Zweiten Weltkrieg. Das Gebäude sollte als massiver Stahlbetonbau feindlichen Angriffen standhalten. Zudem war es komplett unterkellert und besaß für die Belegschaft einen Luftschutzbunker.

Nach dem Krieg nahm das Werk die Produktion von Büromaschinen wieder auf. In diesem Gebäude produzierte man seit den 1950er-Jahren bis in die 1970er-Jahre Generationen von elektro-mechanischen Rechenmaschinen: Ab 1965 baute man hier elektronische Tischrechner und Fakturiermaschinen und schließlich seit den 1980er Jahren auch Personalcomputer. 

Auch im Exportgeschäft war das Werk zunächst international erfolgreich: Bis in die 1960er Jahre exportierte der volkseigene Betrieb Rechen- und Fakturiermaschinen in großen Mengen ins sozialistische und auch ins westliche Ausland. 

Erst mit dem Einzug der Elektronik und Mikroelektronik veränderte sich die Marktsituation. Die hohe Geschwindigkeit der technologischen Entwicklung, die Schwächen der sozialistischen Planwirtschaft aber auch die Isolation der DDR durch wirtschaftliche Handelssanktionen der westlichen Welt führten zum technologischen Rückstand. Produkte aus dem Büromaschinenwerk konnten mit dem sogenannten „Weltniveau“ technologisch nicht Schritt halten. Trotz solider Qualität der Geräte, und der Produktion von elektronischen Tischrechnern, Fakturiermaschinen und Personalcomputern in hoher Stückzahl, verlor man den Anschluss an den internationalen Markt. Im sozialistischen Wirtschaftsraum blieb das Büromaschinenwerk aber weiterhin einer der größten Hersteller auf dem Gebiet.

Alle Abbildungen: © Stadtarchiv Sömmerda
Informationen von Herrn Dr. Hans-Diether Dörfler, Sigmar Radestock