Die international vielbeachteten Werke von Johannes Nagel sind vom 26. Juni bis 16. August 2020 im Keramikmuseum Westerwald zu sehen. In der Fachrichtung Keramik an der Burg Giebichenstein in Halle nimmt von Anfang an das Gefäß eine besondere Stelle im Unterricht ein. Das konzeptuelle Innere und skulpturale Äußere regt Studierende zu einer persönlichen Auseinandersetzung an. Für den Absolventen und ehemaligen künstlerischen Mitarbeiter Johannes Nagel (1979), ist das Gefäß vor allem ein exemplarisches Objekt. Es ist ein Prototype, eine Urform des kunstschaffenden Menschen. Johannes Nagel gräbt seine Formen aus dem Sand. Der Duden erklärt das Graben als: grabend nach etwas suchen, oder durch Graben etwas aus der Erde gewinnend. Dabei geht es Nagel nicht in erster Linie um das Gefäß als Endergebnis. Die Grabungsakt an sich ist die Behauptung der Arbeit. Die Größe des Gefäßes, bestimmt durch die eigene Armlänge, macht die keramische These handwerklich beherrschbar. Auch die Schnittstellen der Konstruktion, die Andeutungen von Malerei oder die Dekoration sind als Behauptungen zu verstehen. Die improvisierte Grabungsgeste, die Klebung und die raschen Pinselstriche werden durch den Brand konkret. Das Gefäß, das am Ende aus dem Ofen geholt wird, ist deren Beleg. Und verneint mit Inbrunst ihre Existenz, indem sie kopfüber hingestellt wird. Das Gefäß ist immer auch ein Spiegel seiner Zeit. Zeig mir dein Gefäß und ich sage dir, wer du bist. Nagels Gefäße weisen nicht nur seinen persönlichen Arbeits- und Denkprozess nach, sondern reflektieren auch unsere heutige Zeit. 100 Jahre nach der Gründung des hochgefeierten Bauhauses ist wenig übrig geblieben von dessen bekanntesten Motto. Form follows function? Ganz im Gegenteil, die zeitgenössischen Formen sind unscharf, formlos, sie sind instabil und wackeln, stehen Kopf und stellen alle keramischen Regeln in Frage. Nach einer Funktion braucht man gar nicht zu fragen. Gestaltungsstrategien aus der Bildenden Kunst oder die Musik, wie Rhythmus, Montage oder Zerstörung, haben auch in der Angewandten Kunst ihren Einzug gehalten und lassen das Gefäß über die Stränge schlagen. So verbildlicht es die Verunsicherung unserer heutigen Gesellschaft, die sich von ihren stetigen Gewissheiten verabschieden muss. Es wäre aber zu kurz gegriffen, die Beschreibung von Nagels Arbeiten dabei zu belassen. Denn noch eins fällt auf: seine überbordende Fantasie, die vielen Variationen, die immer wieder überraschen. Der Form folgt nicht nur die Forschung, sondern auch die Freude. Nagels ernsthafte Suche nach Idee und Form wird begleitet von einem spleenigen Divertimento, das sowohl das Gefäß als den Betrachter aus der Fassung bringt.   Bedingt durch die aktuelle Situation findet keine Vernissage statt.
26. Jun 2020 - 10:00
Lindenstraße 13
Höhr-Grenzhausen
56203
Deutschland

Aktueller Termin von "Keramikmuseum Westerwald"

Johannes Nagel - STEGREIF

26. Jun 2020 - 10:00 – 16. Aug 2020 - 17:00
Keramikmuseum Westerwald

Die international vielbeachteten Werke von Johannes Nagel sind vom 26. Juni bis 16. August 2020 im Keramikmuseum Westerwald zu sehen.

In der Fachrichtung Keramik an der Burg Giebichenstein in Halle nimmt von Anfang an das Gefäß eine besondere Stelle im Unterricht ein. Das konzeptuelle Innere und skulpturale Äußere regt Studierende zu einer persönlichen Auseinandersetzung an.
Für den Absolventen und ehemaligen künstlerischen Mitarbeiter Johannes Nagel (1979), ist das Gefäß vor allem ein exemplarisches Objekt. Es ist ein Prototype, eine Urform des kunstschaffenden Menschen.


Johannes Nagel gräbt seine Formen aus dem Sand. Der Duden erklärt das Graben als: grabend nach etwas suchen, oder durch Graben etwas aus der Erde gewinnend. Dabei geht es Nagel nicht in erster Linie um das Gefäß als Endergebnis. Die Grabungsakt an sich ist die Behauptung der Arbeit. Die Größe des Gefäßes, bestimmt durch die eigene Armlänge, macht die keramische These handwerklich beherrschbar. Auch die Schnittstellen der Konstruktion, die Andeutungen von Malerei oder die Dekoration sind als Behauptungen zu verstehen. Die improvisierte Grabungsgeste, die Klebung und die raschen Pinselstriche werden durch den Brand konkret. Das Gefäß, das am Ende aus dem Ofen geholt wird, ist deren Beleg. Und verneint mit Inbrunst ihre Existenz, indem sie kopfüber hingestellt wird.
Das Gefäß ist immer auch ein Spiegel seiner Zeit. Zeig mir dein Gefäß und ich sage dir, wer du bist. Nagels Gefäße weisen nicht nur seinen persönlichen Arbeits- und Denkprozess nach, sondern reflektieren auch unsere heutige Zeit.


100 Jahre nach der Gründung des hochgefeierten Bauhauses ist wenig übrig geblieben von dessen bekanntesten Motto. Form follows function? Ganz im Gegenteil, die zeitgenössischen Formen sind unscharf, formlos, sie sind instabil und wackeln, stehen Kopf und stellen alle keramischen Regeln in Frage. Nach einer Funktion braucht man gar nicht zu fragen. Gestaltungsstrategien aus der Bildenden Kunst oder die Musik, wie Rhythmus, Montage oder Zerstörung, haben auch in der Angewandten Kunst ihren Einzug gehalten und lassen das Gefäß über die Stränge schlagen. So verbildlicht es die Verunsicherung unserer heutigen Gesellschaft, die sich von ihren stetigen Gewissheiten verabschieden muss.


Es wäre aber zu kurz gegriffen, die Beschreibung von Nagels Arbeiten dabei zu belassen. Denn noch eins fällt auf: seine überbordende Fantasie, die vielen Variationen, die immer wieder überraschen. Der Form folgt nicht nur die Forschung, sondern auch die Freude. Nagels ernsthafte Suche nach Idee und Form wird begleitet von einem spleenigen Divertimento, das sowohl das Gefäß als den Betrachter aus der Fassung bringt.
 

Bedingt durch die aktuelle Situation findet keine Vernissage statt.

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