Mit einer fast magischen Anziehungskraft schillern die Mosaike von Line Lyhne von den Wänden, davor richten sich Kreaturen aus Stein und Metall im Raum ein. Mit ihrem Ausstellungstitel Spaces und Species bezieht sich die Künstlerin auf George Perec’s Essaysammlung Species of Spaces and Other Pieces (1973, Deutsch: Träume von Räumen) und verweist mit ihren Werken auf die Erweiterung von (räumlichen) Perspektiven, Verortungen, Kategorisierungen und Benennungen. Die skulpturalen Objekte aus bearbeitetem Marmor und geschmiedetem Eisen offenbaren bewusst ihren Herstellungsprozess, wie den ungeglätteten Abdruck des Meißels im Stein und verewigen dabei zugleich den Moment des Werdens. Gleich einer fremden Spezies treten sie zwischen Betrachter*in und Wandarbeiten. In diesen kombiniert Line Lyhne die traditionelle, antike Mosaiktechnik mit der Nutzung von global massenproduzierten, modernen Dekorationskacheln. Die fragmentierten Oberflächen der Mosaike machen es leicht, sich in ihren Details zu verlieren, doch mit zunehmendem Abstand wird deutlich, dass die wie einzelne Pixel erscheinenden Fliesen Teil einer größeren Komposition sind. Im Paradoxon zu ihrer abweisenden, spiegelnden Oberfläche, die an reflektierende Hochhausfassaden erinnert, eröffnen sich nun flimmernde Landschaften oder – wie durch ein offenes Fenster herangezoomt – Innenräume und private Interieurs in verschobener, entfremdeter Perspektive. Die extremen Querformate, die formal auf das Genre des Landschaftsbilds verweisen, treten in Dialog mit hochformatigen Arbeiten, die abstrakte (Innen-)Räume eröffnen. Die Werke bedienen sich bewusst unterschiedlicher kunsthistorischer Referenzen und widersetzen sich damit formal einer klaren Einordnung. Die Künstlerin setzt sich in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung speziell mit den Raum-Zeit-Koordinaten des Kunstvereins auseinander, der als zeitgenössisches Ausstellungshaus in einer Altbau-Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert angesiedelt ist und historische Referenzen auf Räume, die traditionell mit Plaisir, Muße und Handarbeit verbunden waren, zulässt. In der Ausstellung entwickelt sich ein Zusammenspiel von historischer und Jetzt-Zeit und der damit verbundenen Nutzung der Räume sowie ein ständiges ineinander Übergehen zwischen Außen(raum) und Innen(raum). Line Lyhne hinterfragt dabei die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst sowie die strikte Unterscheidung von Kunstobjekt und Handarbeit, Funktionsmöbel oder dekorativer Heimausstattung, indem sie diese wertfrei, dehierarchisierend und zeitlos nebeneinanderstellt – bekannte Zuschreibungen befinden sich in ihrer Auflösung. Line Lyhne (*1991 in Aarhus, DK) studiert seit 2019 bei Tobias Rehberger an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ihre Arbeiten waren bisher in Ausstellungen in Hamburg, Oslo, Paris, Salzburg, Wien, Frankfurt und bereits 2019 in der Gruppenausstellung LASH 23 im Nassauischen Kunstverein zu sehen. Bild: Line Lyhne, Solaris, 2020. Foto: Jiyoon Chung.
26. Feb 2021 - 16:05
Wilhelmstrasse 15
Wiesbaden
65185
Deutschland

Aktueller Termin von "Nassauischer Kunstverein Wiesbaden"

Line Lyhne / Spaces and Species

26. Feb 2021 - 16:05 – 02. May 2021 - 16:04
Nassauischer Kunstverein Wiesbaden

Mit einer fast magischen Anziehungskraft schillern die Mosaike von Line Lyhne von den Wänden, davor richten sich Kreaturen aus Stein und Metall im Raum ein. Mit ihrem Ausstellungstitel Spaces und Species bezieht sich die Künstlerin auf George Perec’s Essaysammlung Species of Spaces and Other Pieces (1973, Deutsch: Träume von Räumen) und verweist mit ihren Werken auf die Erweiterung von (räumlichen) Perspektiven, Verortungen, Kategorisierungen und Benennungen.

Die skulpturalen Objekte aus bearbeitetem Marmor und geschmiedetem Eisen offenbaren bewusst ihren Herstellungsprozess, wie den ungeglätteten Abdruck des Meißels im Stein und verewigen dabei zugleich den Moment des Werdens. Gleich einer fremden Spezies treten sie zwischen Betrachter*in und Wandarbeiten. In diesen kombiniert Line Lyhne die traditionelle, antike Mosaiktechnik mit der Nutzung von global massenproduzierten, modernen Dekorationskacheln. Die fragmentierten Oberflächen der Mosaike machen es leicht, sich in ihren Details zu verlieren, doch mit zunehmendem Abstand wird deutlich, dass die wie einzelne Pixel erscheinenden Fliesen Teil einer größeren Komposition sind. Im Paradoxon zu ihrer abweisenden, spiegelnden Oberfläche, die an reflektierende Hochhausfassaden erinnert, eröffnen sich nun flimmernde Landschaften oder – wie durch ein offenes Fenster herangezoomt – Innenräume und private Interieurs in verschobener, entfremdeter Perspektive. Die extremen Querformate, die formal auf das Genre des Landschaftsbilds verweisen, treten in Dialog mit hochformatigen Arbeiten, die abstrakte (Innen-)Räume eröffnen.

Die Werke bedienen sich bewusst unterschiedlicher kunsthistorischer Referenzen und widersetzen sich damit formal einer klaren Einordnung. Die Künstlerin setzt sich in ihrer ersten institutionellen Einzelausstellung speziell mit den Raum-Zeit-Koordinaten des Kunstvereins auseinander, der als zeitgenössisches Ausstellungshaus in einer Altbau-Stadtvilla aus dem 19. Jahrhundert angesiedelt ist und historische Referenzen auf Räume, die traditionell mit Plaisir, Muße und Handarbeit verbunden waren, zulässt. In der Ausstellung entwickelt sich ein Zusammenspiel von historischer und Jetzt-Zeit und der damit verbundenen Nutzung der Räume sowie ein ständiges ineinander Übergehen zwischen Außen(raum) und Innen(raum). Line Lyhne hinterfragt dabei die Grenzen zwischen bildender und angewandter Kunst sowie die strikte Unterscheidung von Kunstobjekt und Handarbeit, Funktionsmöbel oder dekorativer Heimausstattung, indem sie diese wertfrei, dehierarchisierend und zeitlos nebeneinanderstellt – bekannte Zuschreibungen befinden sich in ihrer Auflösung.

Line Lyhne (*1991 in Aarhus, DK) studiert seit 2019 bei Tobias Rehberger an der Städelschule in Frankfurt am Main. Ihre Arbeiten waren bisher in Ausstellungen in Hamburg, Oslo, Paris, Salzburg, Wien, Frankfurt und bereits 2019 in der Gruppenausstellung LASH 23 im Nassauischen Kunstverein zu sehen.

Bild: Line Lyhne, Solaris, 2020. Foto: Jiyoon Chung.

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