„Von der Wiege bis zur Bahre“ – so könnte man die vielfältigen Beziehungen umschreiben, die sich schon lange vor dem Industriezeitalter zwischen Unternehmern und Arbeitskräften entwickelten und die weit über das eigentliche Arbeitsverhältnis hinausgingen. Geleitet von patriarchalem Verantwortungsbewusstsein, christlichem Auftrag oder unternehmerischem Kalkül entstanden bereits erste Formen betrieblicher Fürsorgeeinrichtungen, bevor im 19. Jahrhundert die „soziale Frage“ im Zuge der Industrialisierung in den Fokus rückte. Mit der Industriellen Revolution setzte eine umfassende Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein. Große, kapitalistisch organisierte Unternehmen benötigten immer mehr Arbeitskräfte. Diese kamen meist vom Lande und lebten und arbeiteten in den neuen Industriezentren unter prekären Umständen. Arbeitsschichten von über 12 Stunden am Tag, Kinderarbeit, Verdienste an der Grenze des Existenzminimums, fehlender Arbeitsschutz und Wohnungsnot prägten die Lebenssituation der Zeitgenossen. Es gab keine Absicherungen im Krankheitsfall oder im Alter. Gleichzeitig war es den Unternehmen jedoch im eigenen Interesse daran gelegen, Motivation und Leistungsbereitschaft der Belegschaften zu stärken und die Fluktuation der Arbeitskräfte einzudämmen. Nur so konnten Produktion und Produktivität gesichert und ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund gewann die betriebliche Sozialfürsorge als ein Teil innerbetrieblicher Anreizsysteme an Bedeutung. Wie bei den anderen großen Ruhrkonzernen des 19. und 20. Jahrhunderts war auch für die Oberhausener Gutehoffnungshütte (GHH) die betriebliche Sozialpolitik von besonderer Bedeutung. Sie entsprang dem Selbstverständnis einer strengen aber fürsorglichen Zuwendung zur Belegschaft. Disziplinierung und Bindung, insbesondere von Facharbeitern, waren zwei Seiten einer Medaille. Zudem trug eine gelungene Sozialpolitik zur positiven Außendarstellung des Unternehmens bei. Im Laufe der Zeit entstand so ein immer umfassenderes System sozialer Leistungen. Davon profitierten alle – vom Kleinkind bis zum Greis. Die werksfotografische Abteilung der Guthoffnungshütte (GHH) in Oberhausen hat unzählige Aufnahmen der unterschiedlichen Bereiche des einst größten Stahl- und Maschinenbaukonzerns in Deutschland gemacht. Heute ist es mit seinen über 200.000 Aufnahmen und den 16.000 Glasplattennegativen einer der besonderen Schätze des Museums. Die Ausstellung „Versorgt!“ gibt nun einen Einblick in die betriebliche Fürsorge der GHH. Ob Jubiläumsfeiern, Sanitätseinrichtungen, Wohnungsbau, Kinderfeste oder Konsumanstalten. Die Fotografien spiegeln auf eindrucksvolle Weise Leben und Alltag der mit der GHH verbundenen Menschen.
19. Jun 2020 - 11:11
Antoniestr. 32-34
Oberhausen
46119
Deutschland

Aktueller Termin von "LVR-Industriemuseum - St. Antony-Hütte"

Versorgt! Betriebliche Fürsorge bei der GHH

19. Jun 2020 - 11:11 – 20. Jun 2021 - 11:08
LVR-Industriemuseum - St. Antony-Hütte

„Von der Wiege bis zur Bahre“ – so könnte man die vielfältigen Beziehungen umschreiben, die sich schon lange vor dem Industriezeitalter zwischen Unternehmern und Arbeitskräften entwickelten und die weit über das eigentliche Arbeitsverhältnis hinausgingen. Geleitet von patriarchalem Verantwortungsbewusstsein, christlichem Auftrag oder unternehmerischem Kalkül entstanden bereits erste Formen betrieblicher Fürsorgeeinrichtungen, bevor im 19. Jahrhundert die „soziale Frage“ im Zuge der Industrialisierung in den Fokus rückte.

Mit der Industriellen Revolution setzte eine umfassende Veränderung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse ein. Große, kapitalistisch organisierte Unternehmen benötigten immer mehr Arbeitskräfte. Diese kamen meist vom Lande und lebten und arbeiteten in den neuen Industriezentren unter prekären Umständen. Arbeitsschichten von über 12 Stunden am Tag, Kinderarbeit, Verdienste an der Grenze des Existenzminimums, fehlender Arbeitsschutz und Wohnungsnot prägten die Lebenssituation der Zeitgenossen. Es gab keine Absicherungen im Krankheitsfall oder im Alter. Gleichzeitig war es den Unternehmen jedoch im eigenen Interesse daran gelegen, Motivation und Leistungsbereitschaft der Belegschaften zu stärken und die Fluktuation der Arbeitskräfte einzudämmen. Nur so konnten Produktion und Produktivität gesichert und ausgebaut werden. Vor diesem Hintergrund gewann die betriebliche Sozialfürsorge als ein Teil innerbetrieblicher Anreizsysteme an Bedeutung.

Wie bei den anderen großen Ruhrkonzernen des 19. und 20. Jahrhunderts war auch für die Oberhausener Gutehoffnungshütte (GHH) die betriebliche Sozialpolitik von besonderer Bedeutung. Sie entsprang dem Selbstverständnis einer strengen aber fürsorglichen Zuwendung zur Belegschaft. Disziplinierung und Bindung, insbesondere von Facharbeitern, waren zwei Seiten einer Medaille. Zudem trug eine gelungene Sozialpolitik zur positiven Außendarstellung des Unternehmens bei. Im Laufe der Zeit entstand so ein immer umfassenderes System sozialer Leistungen. Davon profitierten alle – vom Kleinkind bis zum Greis.

Die werksfotografische Abteilung der Guthoffnungshütte (GHH) in Oberhausen hat unzählige Aufnahmen der unterschiedlichen Bereiche des einst größten Stahl- und Maschinenbaukonzerns in Deutschland gemacht. Heute ist es mit seinen über 200.000 Aufnahmen und den 16.000 Glasplattennegativen einer der besonderen Schätze des Museums. Die Ausstellung „Versorgt!“ gibt nun einen Einblick in die betriebliche Fürsorge der GHH. Ob Jubiläumsfeiern, Sanitätseinrichtungen, Wohnungsbau, Kinderfeste oder Konsumanstalten. Die Fotografien spiegeln auf eindrucksvolle Weise Leben und Alltag der mit der GHH verbundenen Menschen.

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