
Vortragsreihe „Exponat des Monats“: „Vom reformierten Strafvollzug im Freistaat Braunschweig zum Strafvollzug im Nationalsozialismus.“
Im Jahre 1923 wurde Dr. Gustav Weiß (SPD) Leiter der Strafanstalt in Wolfenbüttel. Als Vertreter eines humanen Strafvollzuges setzte er sich für viele Reformen ein. Hinweise auf die neue Humanität waren das Besuchsrecht, die Erlaubnis, Zeitungen zu abonnieren, und fachärztliche Behandlungen, z.B. durch einen Zahnarzt. Nach der Entlassung von Dr. Weiß im Jahr 1933 durch die Nationalsozialisten wurde diese Entwicklung gestoppt. Dennoch wurden die Gefängnisinsassen nicht völlig rechtlos. Im Zuge der Justizverbrechen des Reichsjustizministeriums waren Juden, Kommunisten und verschleppte Justizgefangene aus ganz Europa inhaftiert. Viele von den Gefangenen konnten regelmäßig besucht werden. Der Franzose Jean-Luc Bellanger, von 1942 bis zum Kriegsende in Wolfenbüttel inhaftiert, spricht in seinem autobiographischen Buch „Feindbegünstigung“ mit Blick auf die Strafanstalt von einem „gemäßigten Strafvollzug“, dieser sei „nicht mit einem Zuchthaus oder einem KZ vergleichbar.“ Im Vortrag geht es primär um den allgemeinen Strafvollzug für insgesamt 15000 Inhaftierte, nicht um die Geschichte der 1937 eingerichteten Hinrichtungsstätte. Mit Hilfe verschiedener Zeitzeugenberichte wird auch an die frühere Strafanstalt im Braunschweiger „Rennelberg“ erinnert. Otto Sämann wurde im Unterschied zu anderen Wachtmeistern nicht angeklagt und galt als einer der „humansten von der Welt“ (André Charon, Inhaftierter).
Foto: Otto Sämann, Wachmeister in Wolfenbüttel von 1925 bis 1959; Quelle: NLA Standort Wolfenbüttel (Fotograf unbekannt)
Vortragender: Arnulf Heinemann
Der Eintritt ist frei.