Station: [4] Die Eppinger Linien – Vom Bollwerk zum Wanderweg


Die Nacht ist kühl in diesem Frühjahr 1696. Der Pfälzische Erbfolgekrieg tobt seit acht Jahren unerbittlich. Aufmerksam starrt der Fußsoldat Georg Hein von seiner Chartaque hinab in die Dunkelheit. Bei jeder noch so unscheinbaren Bewegung vor dem Wall- und Grabensystem wird er umgehend Alarm auslösen. Würden die Franzosen es wagen, die Stadt und das Land auch weiterhin mit Mord, Brandschatzung und Terror zu überziehen? 
Doch es bleibt ruhig – nicht nur in dieser Nacht sondern auch in den nächsten Jahren. Was war geschehen?

1685 erhebt der Sonnenkönig Ludwig der Vierzehnte Anspruch auf die Kurpfalz. Er will die an Frankreich grenzenden Staaten schwächen – koste es, was es wolle. Und er hat einen General, der seinem Befehl „Verbrennt die Pfalz!“ ab 1688 rücksichtslos nachkommt. Sein Name: Comte de Mélac.

Mannheim brennt lichterloh. Worms, Speyer und Heidelberg werden verwüstet, viele andere Städte und Dörfer total zerstört. Ein Ende des Mélac´schen Terrors ist nicht absehbar.

Kaiser Leopold I. schickt den Markgrafen Ludwig Wilhelm von Baden in die Kurpfalz. Sein Befehl: „Sorg‘ er dort für Ruhe!“
Der Markgraf, im Volksmund „Türkenlouis“ genannt, entwickelt vor Ort ein Wall- und Grabensystem, das sich anfangs zwischen Odenwald und Schwarzwald erstreckt, der Haupteinfallspforte für feindliche Truppen.

Er lässt von Bauern und Soldaten in Fronarbeit einen tiefen Graben ausheben und dessen Aushub als Wall aufschütten. Vor dem Graben roden die Männer Teile des Eppinger Waldes auf einer Strecke von 30 Metern und lassen diesen „Verhack“ als kaum überwindbares Hindernis liegen.

Im Rückraum angelegte Straßen ermöglichen den eigenen Truppen bestmögliche Bewegungsfreiheit. Wach- und Signaltürme, die sogenannten Chartaques, sowie mit Geschützen bestückte Viereck- und Sternschanzen, Redouten genannt, verstärken das Bollwerk. Schanzkörbe und Wolfsgruben vervollständigen die Verteidigungsanlage.

Dieses System stellt sich als derart unüberwindbar heraus, dass die Franzosen nach 1695 keinen Versuch zur Einnahme der Region mehr unternehmen. Der Friedens-schluss von Rijswijk am 30. Oktober 1697 beendet den Pfälzischen Erbfolgekrieg. Der Comte de Mélac ist besiegt. Was bleibt ist das Schimpfwort „Lackel“ oder „Melack“ für eine missliebige Person.

Dieses Wall- und Grabensystem zeigt sich noch bis heute. Der premiumzertifizierte Eppinger-Linien-Wanderweg von Eppingen nach Mühlacker ist Erlebniswandern in Reinkultur. Bei einer rekonstruierten Chartaque und zahlreichen Erlebnisstationen erfahren Jung und Alt aufregend Neues. Probieren Sie es aus!

Und vielleicht können Sie dann auch ein wenig nachempfinden, wie sich der Fußsoldat Georg Hein in der Nacht des Frühjahres 1696 genau hier auf seiner Chartaque gefühlt haben mag.

Alle Abbildungen: © Stadt- und Fachwerkmuseum Eppingen