Station: [5] Hauff, der Märchenerzähler


Ich habe, vierundzwanzig Jahre alt, ohne die Welt viel gesehen, ohne die Menschen  lange studirt zu haben, in der kurzen Zeit von 10 Monaten drei, in sich sehr heterogene  Werke herausgegeben […] Sie wurden recensirt, gekauft, gelesen, vielfach  besprochen und wo ich hinkam seit ich den teutschen Boden wieder betrat, war ich  kein Unbekannter; wie ein Wunderthier haben sie mich aufgesucht, angestaunt, bewundert […]

Im 19. Jahrhundert ist Wilhelm Hauff eine Art Superstar der Literaturszene. Er gehört  zu den Klassikern der deutschen Literatur. Sein Roman „Lichtenstein“ ist ein großer  Erfolg, mehr aber noch seine Novellen „Der Mann im Mond“ oder die „Memoiren des  Satans“. Weniger beachtet werden damals hingegen seine Märchen.  

Im 20. Jahrhundert haben sich die Vorzeichen geändert. Etwas polemisch formuliert:  Wilhelm Hauff – das ist doch dieser Märchenonkel!? Die schwäbische Antwort auf  1001 Nacht. Während seine Romane und Novellen heute eher selten gelesen werden,  sind seine Märchen wohl den meisten bekannt: Die Geschichte vom Kalif Storch. Der  kleine Muck. Oder Zwerg Nase. In den Geschichten geht es um Außenseitertum und Andersartigkeit, es geht um Toleranz und Respekt gegenüber anderen. Themen, die  an Aktualität nichts verloren haben. 

Ähnlich wie bei „1001 und einer Nacht“ sind auch Hauffs Märchen in eine  Rahmenerzählung eingebettet. Sie erscheinen im sogenannten Märchen-Almanach – einer drei Bände umfassenden Sammlung. Über den Almanach schreibt Hauff: 

Er ist für Mädchen oder Knaben von 12 - 15 Jahren und giebt 7 meist orientalische  Mährchen, wie sie für dieses Alter paßen; ich habe versucht, sie so intereßant als  möglich zu machen, haben dabey das streng-sittliche immer beobachtet ohne jedoch  die Mährchen auf eine Nutzanwendung oder „fabula docet“ hinauslaufen zu lassen. 

Der Dichter kennt seine Zielgruppe genau. Während seiner Zeit als Hauslehrer  unterrichtet er die Söhne des württembergischen Kriegsministers Ernst Eugen Freiherr  von Hügel. Seine Schüler nennt er liebevoll „seine Seelöwen“. Sie sind es, für die er  die ersten Märchen verfasst. 

Und heute? Da ziehen Hauffs Märchen immer noch Millionen Menschen in ihren Bann, fast überall auf der Welt werden sie gelesen.

Alle Abbildungen: © Wilhelm-Hauff-Museum