Station: [12] Gute Stube


Meine Damen, meine Herren, wir setzen unseren Rundgang im Obergeschoss fort… und treten ein in das bescheidene Reich der Bauernfamilie Kliemt. Die alte Treppe nach oben knarzt ohrenbetäubend und der großzügige Flur wird – mit einem gewissen Sinn für Übertreibung – „der Saal“ genannt. 

Das unbestrittene Schmuckstück des oberen Geschosses ist die Gute Stube auf der linken Seite, die Sie neben dem großen Schrank betreten. Auch dieser Raum erfreut sich eines ungewöhnlichen Namens: Er wird von der Familie “das Fürstenzimmer“ genannt.

Fürstenzimmer? Dass ich nicht lache! Ich habe hier noch nie einen Fürsten gesehen.

Ähm… miau! Wer spricht?

Ich bin es, hier drüben… der Bauer. Mit der roten Hose. Und dem Pflug. Und dem Gaul.

Die Porzellanfigur?!?

Porzellanfigur hin oder her. Hier gibt es keine Fürsten. Hier gibt es weit und breit nur Bauern, die schuften. So wie mich. Oder die Kliemts. Deren Familienfoto hängt über dem Sofa. Aber in echt sind die nie hier. Oder fast nie.

Nun ja, es handelt sich hier ja auch um die Gute Stube… in der man sich nur zu ganz bestimmten Zeiten aufhält.

Zu Ostern, Erntedank und Weihnachten, vielleicht auch mal zum Geburtstag. Und um sauberzumachen und uns Porzellanfiguren abzustauben.

Oder wenn Besuch kommt. Denn dieser Besuch, meine sehr verehrten Damen und Herren, wird dann hier im Fürstenzimmer, in der Guten Stube, einquartiert. In den beiden Betten. Mitten im Wohnzimmer.

Sogar die Nachttöpfe für die vermeintlichen Fürsten stehen bereit. Ha! Und auch sonst ist hier alles vom Feinsten: Das gute Porzellan, das schlesische Kaffeegeschirr, böhmisches Glas, ein Grammphon für die kurzweilige Unterhaltung und ein mächtiges Sofa, in dem man fast versinkt, wenn man sich hineinfallen lässt.

Ja, und allerlei Nippes aus Porzellan…

Wie bitte?!

… ähm… natürlich… kunstvolle und handbemalte „Miniatüren“ von allerlei schön anzusehenden „Figüren“.

Genau! So wie mich. Oder die beiden Damen, die mir den Weg versperren. Oder auf der Anrichte links der dicke Truthahn. Hmm… vielleicht ist es auch eine Pute? Am besten gefällt mir allerdings das selbstbestickte Kissen auf dem Sofa, haben Sie das gesehen: „Nur ein Viertelstündchen“. Ach, was würde ich um ein kleines Nickerchen geben! Ein Viertelstündchen! Oder auch nur zehn Minuten. Aber… ich bin ein Bauer und muss auch als Porzellanfigur tagein, tagaus den Pflug durch die Furchen schieben. Nicht wahr, Pferdchen?

Und auch hier, in der Guten Stube, wird nicht geratzt, nicht einmal für ein Viertelstündchen. Also: Hüh! Weiter geht’s.

Fotos: © Schlesisch-Oberlausitzer Museumsverbund gGmbH