Station: [11] Mitteltisch


So ein schöner, großer Tisch, an dem man richtig gut arbeiten kann, das ist die halbe Miete in einer Konditorei. Denn alle Zutaten, wenn man sie gemahlen, gerieben oder in welcher Weise auch immer vorbereitet hat, werden hier, auf dem großen Tisch zusammengebracht, ausgerollt oder dekoriert… oder was auch immer ansteht.

Manchmal ist es allerfeinste Präzisionsarbeit, zum Beispiel wenn man eine Torte mit klitzekleinen Marzipanröschen dekoriert… und manchmal braucht man all seine Kräfte. Die Maschinen sind schwer und die Mengen an Mehl, Zucker, Butter und Schokolade, die wir hier verarbeiten, sind beträchtlich. Da kann so ein Hefeteig auch schonmal mehrere Kilo wiegen.

… hast du mal probiert, so eine große gusseiserne Schublade herauszuziehen? Unter dem Tisch? Wo wir all unsere Gerätschaften drin aufbewahren? Allein das erfordert Bärenkräfte.

Aber die hast du ja zum Glück, Heinrich! Bärenkräfte und Feingefühl! 

Ja, das braucht man beides, wenn man ein richtig guter Konditor sein will.

Und alle, die deine Torten und Plätzchen und Gutsele probieren, die alle können das nachempfinden.

Ja, aber weißt du, Gardi. So lange ist das noch gar nicht her, dass wirklich alle unsere Künste probieren und genießen können.

Nicht?!

Nein, wir Konditoren, wir hießen früher „Zuckerbäcker“. Aber der Zucker war teuer, denn er musste aus Übersee importiert werden. Das war Rohrzucker und den konnten sich nur ganz wenige Reiche leisten. Die meisten Menschen aßen nie etwas Süßes... außer Obst natürlich. Erst vor etwas mehr als 100 Jahren fing man dann an, in Europa die Zuckerrübe zu züchten und aus ihr Zucker zu gewinnen. Und zwar in großem Stil… industriell eben. Erst seitdem ist Zucker für alle Menschen erschwinglich und erst seitdem gibt es auch Konditoren, die alle möglichen Leckereien für viele Menschen herstellen.

Na, da sag ich mal: Ein Glück, dass ich heute lebe und nicht vor über 100 Jahren! Keine Torten, keine Schokolade – was für eine traurige Vorstellung!

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Der vorletzte Absatz paraphrasiert Juliana Bauer, Café Süßes Löchle, S. 5.

Foto: © Wagner Roland und Adelheid, Lahr