Station: [35] Bolterwagen und Leiterwagen


M: Ein Altenheimer Original: David Marzluf, genannt „Reche-Fiet“, ist auf dem Weg aufs Feld. Er trägt die für die Landbevölkerung typische Hemdbluse und über seinen schweren Lederschuhen Gamaschen. Denn Stiefel mit Lederschäften wären viel zu teuer gewesen!
Sein Wagen heißt in unserem Dialekt „Bolterwagen“, denn er rumpelt und poltert auf den Feld- und Wiesenwegen. Mit ihm wird alles transportiert, was aufs Feld oder zurück zum Hof muss.

F: Den längeren Leiterwagen brauchte man nur für die Heu- und Strohernte. In den Zwischenzeiten konnte er auseinandergenommen, in seine Einzelteile zerlegt und platzsparend untergebracht werden.
Wenn Sie sehen möchten, wie ein Leiterwagen auseinander- und wieder zusammengebaut wird, wählen Sie nach diesem Kommentar den Punkt „Video“ auf Ihrem Bildschirm.

M: Der Lebenslauf dieses Leiterwagens erzählt ebenfalls ein Stückchen Lokalgeschichte. Denn er gehörte ursprünglich der Familie Graf, die ihn an Wilhelm Marx weitergab, der ihn wiederum an Johannes Roth verkaufte. Der Grund: Wie viele andere Altenheimer hatte sich auch Marx zur Auswanderung entschlossen. 1920 verließ er das Land, der Leiterwagen blieb daheim.

F: Die napoleonischen Kriege, Dürren, Missernten und Naturkatastrophen und nicht zuletzt die repressive Politik des 19. Jahrhunderts hatten zu mehreren Auswanderungswellen geführt, die auch Altenheim betrafen. Rückblickend schildert ein Altenheimer Lehrer die Situation:

Zitator: Von den Teuerungen traf den Ort am härtesten die von 1817, indem das Jahr zuvor ein totaler Misswuchs eintrat. Die Hungersnot stieg so sehr, dass viele Leute um Brot zu erhalten an die Bäcker um einige Laib Brot schöne Äcker verkauften. In einem Gewann „Steigeland“ wird ein 27 Ar großer Acker jetzt noch gezeigt, welcher für 3 Laib Brot damals an einen hiesigen Bäcker verkauft wurde und daher der Acker „Dreilaibbrotacker“. 

F: Insgesamt 662 Personen verließen Altenheim im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Ihr Ziel: Amerika. Und wenn manche von ihnen – nach Jahren reich geworden – zurückkehrten, machten sich gleich noch mehr Menschen auf den Weg. 

M: Die meisten aber blieben. Und einige von ihnen, ihre Aufgaben und ihre Arbeiten, lernen Sie hier in der Scheune kennen. Beispielsweise den Reche-Fiet auf dem Bolterwagen.

 

 

Fotos: © Heimatmuseum Neuried