Station: [1] Begrüßung


Francke: So, der Nagel sitzt. Junge, gib mir mal die beiden Fotos rüber. 

Junge: Klar Herr Francke, hier.

Francke: Das wär' geschafft. Meine lieben Eltern, da hängen sie gut. Ich sehe meinen Vater noch genau vor mir, wie er hier Tag ein Tag aus gegerbt hat. Und vor ihm sein Vater und wieder sein Vater. Bis hin zu meinem Ur-Ur-Großvater: Johann Friedrich Francke. Der hat den Betrieb mal aufgebaut. Tja, und jetzt stehe ich hier, Friedrich Francke, mit einer lieben Frau, aber ohne Kinder. Gut sag ich mir, wir haben 1990, also Friedrich, bald ist Schluss mit der guten alten Gerberei. 150 Jahre, jetzt reicht's! 
Junge: Ach Herr Francke, nun werden Sie doch nicht sentimental. Vielleicht findet sich ja jemand für die Gerberei. 

Francke: Ne Junge, die altdeutsche Grubengerbung, das passt nicht mehr in die Zeit, viel zu harte Arbeit, und das will auch keiner mehr bezahlen. Guck dir die Lederrollen genau an, ordentlich dick und richtig fest sind die. Solch eine Qualität findest du nicht mehr mit dem chemischen Zeug von heute. Lohleder aus dem Hause Francke, das hat Tradition seit 1844! Bekannt in ganz Thüringen und darüber hinaus. 
Junge: Allerdings, das Leder ist ja hart wie ein Brett beinah. Aber da sind mir meine gemütlichen Turnschuhe doch lieber. Bei Schuhen aus so'nem Leder bekommt man ja Blasen an den Füßen. 

Francke: Unsinn. So ein Leder nimmt der Schuster nur für die Sohlen und die Kappen. Schau dir nur die Schuhe an, ordentliche Arbeitsschuhe und ganz ohne Stahlkappen, unverwüstlich. Aber ich werde schon wieder sentimental.

Francke: Aber nun komm, und pass auf, du rennst mir noch den Sack mit der Lohe um.

Junge: Die was? Das ist doch nur'n Sack voll Rinde. 

Francke: Genau, die Lohe, Mensch Junge, du weißt ja wirklich gar nichts. Aber woher auch. Ich freu mich, dass du mir heute aushilfst. Du wirst staunen, was du in der kurzen Zeit über das Geberhandwerk lernen wirst. Und dankbar bin ich Dir obendrein. Zwei Mitarbeiter habe ich, und beide sind krank, auf einen Schlag. Das gab's noch nie. Aber du wirst sehen, die Arbeit geht in die Knochen.  
Genug geredet, ab ins Rohhautlager gleich hier, hinter der Glastür links, und die Besucher, die nimmst du auch gleich mit, wir können jeder Hilfe gebrauchen! Beeilung, die Ware kommt gleich. 
Dann versuchen wir mal einen richtigen Gerber aus dir zu machen, also herzlich Willkommen oder "Hui Gerber", wie wir sagen.

Junge: Äh, ach so "Hui Gerber"

 

Fotos:  © Martina Bosse