Station: [10] Das Gerben


Francke:  Der Grubenhof! Wenn ich mir überlege, dass mein Ur-Urgroßvater, der alte Johann Friedrich Francke diese Gruben mal alle angelegt hat. Jede einzelne Grube, 2 Meter 40 tief und 2 Meter 40 breit. Und jetzt ist bald Schluss. Das tut mir dann doch weh. 

Junge: Und wozu braucht man gleich so viele Gruben?

Francke: Weil man für die altdeutsche Grubengerbung sehr, sehr viel Zeit und Geduld braucht. Vier Monate liegen die Lederhäute in einer Grube, und dann wieder vier Monate und dann noch mal. Und erst dann, nach 12 Monaten ist das Leder fertig gegerbt. 

Junge: Aber geht das denn nicht schneller?

Francke: Ja klar, mit Chemie geht alles schneller, aber Qualität und Tradition, das ist was uns ausmacht. Pass auf, wie bei einer Torte schichten wir in den Gruben die gemahlene Fichtenrinde, also die Lohe und die Lederhäute übereinander. Fass mal mit an! Wir brauchen eine 15-20 cm dicke Schicht Lohe auf dem Boden von der Grube. Dann kommen die Ledertafeln drauf, aber immer schön ordentlich einmal längst, einmal quer. Damit die Gerb- und Farbstoffe der Lohe die Leder richtig durchdringen können und die Konservierung bis in den Kern vordringt. 

So und wenn die Grube voll ist, dann kommt noch mal eine Schicht Lohe drauf und dann wird die Grube verschlossen. Mit Holzbalken und Steinen. Und zum Schluss kommt das Wasser dazu, das lassen wir über den Pfaffen ein. 

Junge: Ok, und wer ist dieser Pfaffe?

Francke: Pfaffen! Wir sind doch nicht in der Kirche. Also, der Pfaffen ist der senkrechte Holzschacht an der Seite von jeder Grube. Dort kommt das Wasser rein, bis die Lohe komplett durchgefeuchtet ist. Und den Rest übernimmt dann die Brühe ganz alleine. Fast wie beim Einwecken. 

Junge: Eingeweckt habe ich aber auch noch nicht. 

Francke: Also, das Wasser entzieht der Lohe die Gerbstoffe, und das Leder nimmt die dann auf. Das dauert vier Monate und dann passiert nichts mehr, dann ist die Lohe ausgelaugt und es kommt zum Stillstand in der Grube. Dann pumpen wir die Lohbrühe ab, denn die brauchen wir noch und setzten eine neue Grube mit frischer Lohe an.  Das Ganze passiert drei Mal, für je 4 Monate, und nach 12 Monaten sind die Lederhäute fertig gegerbt. Und wenn du jetzt fragst, ob das nicht schneller gehen kann, natürlich geht das, mit Chemie oder auch mit Dampf. Aber bei der altdeutschen Grubengerbung gibt es das nicht, klar? 

Junge: Ich weiß, hier braucht man Geduld und kann ganz ruhig abwarten. 

Francke: Von Ruhe habe ich nicht gesprochen. Zu tun gibt es genug. Komm mit, es müssen fertig gegerbte Ledertafeln auf den Abwelkboden gebracht werden. 

Junge: Und wo ist der Abwelkboden?

Francke: Hier einfach die Stufen hoch.


Fotos:  © Martina Bosse