Station: [5] Otto von Recum (1821–1885)


Sagen Sie, lieber Dr. Engelmann, haben wir Ihnen schon von meinem diesjährigen Kuraufenthalt erzählt?

Nein, mein lieber Otto von Recum, das haben Sie in der Tat noch nicht.

Therese und ich verbrachten ja mehrere Wochen in Karlsbad. Sie erraten nicht, wen wir dort getroffen haben: Karl Marx höchstpersönlich! Er stieg im Hotel Germania ab, unter dem Namen „Phil. Dr. Carl Marx mit Tochter Eleanor aus London“.

Ein Revolutionär, der mit einer Adligen verheiratet ist. Das ist ja schon kurios. Aber dann fährt er ausgerechnet nach Karlsbad zu Kur?! Ausgerechnet in den Ort, in dem sich der Adel und das Großbürgertum nur so tummeln. Kurios, finden Sie nicht, Doktor Engelmann? War Ihr Vater nicht sogar der Trauzeuge von Marx?

Ja, in der Tat! Wenn ich es richtig weiß, zog die Familie aber bald schon nach Paris, dann nach Brüssel und schließlich nach London. Aber, sagen Sie, wie gefiel es Ihnen in Karlsbad? Bedauerlicherweise bekommen wir hier in Bad Kreuznach immer noch stark die Wirtschaftskrise von 1873 zu spüren. Ich weiß nicht, ob sie es wissen, aber die Zahl der Kurgäste ist in den letzten drei Jahren deutlich gesunken. 

Sie können sicher sein, lieber Engelmann, ganz spurlos ging die Krise auch an Karlsbad nicht vorbei. Wobei ich aber der festen Überzeugung bin, dass das Problem zum Teil auch an unseren mittlerweile veralteten Kureinrichtungen liegt. Wir brauchen frischen Wind, auch hier in Kreuznach. Finden Sie nicht, Engelmann?

Da haben sie wohl Recht. Seit unsere Väter den Kurort Kreuznach mit aufgebaut haben, sind doch einige Jahre vergangen. Ich halte einen Ausbau und eine Modernisierung ebenfalls für dringend geboten. Ich könnte mir zum Beispiel den Bau eines Freiluft-Inhalatoriums gut vorstellen. Oder einer Wandelhalle zwischen Kurhaus und Elisabeth-Quelle. Das würde das Kurgebiet zeitgemäßer und attraktiver machen.

Und vergessen Sie nicht die neuen Funde aus Bingerbrück, die man beim Bau der neuen Rhein-Nahe-Eisenbahn gefunden hat. Unser Historisch-Antiquarischer-Verein ist ganz aus dem Häuschen, und der Stadtbaumeister erst! Die Grabsteine aus der Römerzeit sollen eine echte Sensation sein – und ihresgleichen suchen. Wenn wir für die ein eigenes Museum hätten! Das wär’s. Man könnte das Museum zum Beispiel Römerhalle nennen. Was haltet ihr davon!?

Herrje, das haben wir ja ganz vergessen: Herzlich Glückwunsch, Engelmann! Sie wurden zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats der Kreuznacher Soldbäder-Aktiengesellschaft berufen. Na, darauf stoßen wir an.

Alle Abbildungen : © Schloßparkmuseum Kreuznach