Station: [5] Wohnstube: Gute Stube und kalte Pracht


M: Die „kalte Pracht“ wurde das Wohnzimmer früher scherzhaft genannt.

F: Denn im Wohnzimmer – der so genannten „guten Stube“ – ging es nicht um ein gemütliches Beisammensein der Familie. Es ging um Repräsentation. Man wollte zeigen, was man hatte und wer man war. Und da man diesen Raum nur zu bestimmten festlichen Gelegenheiten nutzte, wurde er im Winter nicht geheizt. Die Pracht blieb kalt…

M: … und das Alltagsleben spielte sich in der Küche ab. Hier wurde gekocht, gegessen, gearbeitet. Das Sonntagsgeschirr, das Silberbesteck und die guten Tischdecken – sie warteten in der guten Stube auf ihren Einsatz.

F: Nahten jedoch Familien- oder Weihnachtsfeste, dann wurde die gute Stube herausgeputzt, um die Bewohner des Hauses und ihre Gäste gebührend zu empfangen. Denn die großen Ereignisse – Taufen, Konfirmationen, Hochzeiten, runde Geburtstage, Jubiläen und auch Trauerfeiern – die fanden nicht nur in der guten Stube statt…

M: … Sie fanden dort auch ihren Widerhall. Die Erinnerungsstücke festlicher Begebenheiten wie speziell dekorierte Geschirre oder Gläser hatten fortan ihren Platz in den verglasten Vitrinen der Anrichte. Und auch der im Krieg gefallene Vater, Sohn oder Ehemann oder früh verstorbene Geschwister hatten ihren festen Platz in der guten Stube. Hier hielt man das Gedenken wach. So ließ sich oftmals ein ganzes Leben oder das Schicksal einer Familie an der guten Stube ablesen.

F: Das Wohnzimmer hier im Museum ist aus Elementen mehrerer Epochen zusammengesetzt: vom wuchtigen Schreibtisch der Kaiserzeit bis zur Sofaecke der 1940er Jahre.

Denn auch diese gute Stube spiegelt den sich entwickelnden Geschmack und die unterschiedlichsten Repräsentationsformen im Wandel der Zeiten wider.