Station: [9] Klosterkirche Thalbürgel: Vorkirche


M: Die Mauern und wuchtigen Arkadenbögen zu Ihrer Rechten und Linken belegen es: Wo Sie jetzt stehen, war zu Klosterzeiten ein geschlossener Raum:

F: Die Vorkirche oder das Paradies – ein Ort des Übergangs aus dem weltlichen, alltäglichen Geschehen in den Bereich Gottes, den geistlichen Raum. 

M: Der Gläubige passierte auf seinem Weg zu Gott mehrere Räume und Durchgänge: Vom Wirtschaftshof – dem heutigen Dorfplatz – trat man in die Vorkirche ein und schritt auf das imposante, vierbogige Portal zu. 

Seit der Antike stellte man sich den Himmel als ineinander verschränkte Sphären vor. Von den sieben Sphären – Gott sollte die siebente bewohnen – hatte man hier schon vier vor Augen. Und auf dem Tympanon, der halbrunden Fläche mit dem Kreuz, prangte eine heute schwer zu entziffernde lateinische Inschrift, die vielleicht so übersetzt werden kann:

F: Hin zu des Himmels Tor 

Liegt dem Gläubigen dieses zuvor.

Denen die Taufe zuteil

Ist dieses das Tor zum Heil. Amen

M: Durchschritt man dieses Portal, befand man sich im Kirchenraum. Hier galten eigene Regeln, die von den Benediktinermönchen genauestens beachtet wurden:

Das Austragen von Streit und Rechtskonflikten war verboten, ebenso das Abschließen von Geschäften oder der Handel ganz allgemein. Vor allem aber war der soziale Stand aufgehoben. Wer die Kirche betreten hatte, war nicht mehr Bettler oder Edelmann – vor Gott sollten alle Menschen gleich sein. Und alle in der Kirche Anwesenden hatten das zu akzeptieren. Auch heute möchte die Evangelisch-Lutherische Kirchgemeinde das leben. Ihr gehört diese Kirche – eine große Aufgabe, die viel Ideenreichtum erfordert.

F: Das beeindruckende Portal, das von der Vorkirche ins Kirchenschiff führte, hat die Jahrhunderte übrigens nicht so unbeschadet überdauert, wie es heute scheinen mag: Noch im Jahr 1817 wurden die letzten Säulen entfernt und im Weimarer Schlosspark wieder aufgestellt. Die heutigen Säulen am Portal sind später eingesetzte, qualitätvolle Kopien. 

M: Denn Mitte des 19. Jahrhunderts begannen umfangreiche Restaurierungsarbeiten. Sie versetzten die einstige Klosterkirche – vor allem ihren Innenraum – weitgehend in den heute bestehenden Zustand.


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Inschrift zitiert nach Hallof, L. und K., Die Inschrift am Westportal der Klosterkirche Thalbürgel, in: „Zum Burgelin“, Heft 1, 1992, S. 27-40