Station: [26] Waagbalkenuhr ("Älteste Schwarzwalduhr")


Handelt es sich bei der Uhr mit der Datierung 1706 um die älteste erhaltene Schwarzwalduhr? Das zumindest behauptete Oskar Spiegelhalder. Mit seiner Sammlung versuchte er die Geschichte der Schwarzwälder Uhren nachzuvollziehen, wie man sie sich in dieser Zeit vorstellte: eine evolutionäre Entwicklung vom Einfachen zum Komplexen. So galt beispielsweise als gesichert, dass die ersten im Schwarzwald gefertigten Produkte hölzerne Waaguhren in Flachrahmenbauweise gewesen seien. Mit diesem Vorwissen trat Spiegelhalder an seine Sammlung heran. Wie viele Sammler seiner Zeit beteiligte er sich dabei an der Suche nach der ältesten Schwarzwalduhr. 1912 glaubte er sie in Form der hier ausgestellten, auf 1706 datierten Waagbalkenuhr gefunden zu haben. Erworben hatte er sie jedoch nicht im Schwarzwald selbst, sondern aus dem Münchner Kunsthandel. Bis in die jüngere Gegenwart galt sie Kennern als der älteste materielle Beleg für die Früheit des Schwarzwälder Uhrenhandwerks. Neuere Forschungen des Deutschen Uhrenmuseums haben jedoch ergeben, dass sie mitnichten als älteste Schwarzwalduhr gelten kann. Die auf dem Schild angebrachte Jahreszahl wurde verfälscht, indem eine 6 zu einer 0 abgeändert wurde. Die ursprüngliche Datierung lautete also 1766. Auch andere Details wurden bewusst verändert, so etwa der Glockenstuhl und die Befestigung des Schildes. Darüber hinaus gibt es für die Fertigung von Waaguhren in Flachrahmenbauweise im Schwarzwald keine Belege. Technische Details lassen vielmehr die Vermutung zu, dass diese Uhr in der Schweiz gefertigt wurde, womöglich von der Familie Schulthess in Schwyz. Andere von Spiegelhalder aus dem Kunsthandel erworbene Waaguhren stammen etwa aus Bayern oder Böhmen. Wer die Fälschung vornahm, ist nicht bekannt. In der Zeit um 1900 herrschten jedoch noch andere Vorstellungen von Modell und Original. Nachbauten waren legitim, indem sie die schriftliche Überlieferung vergegenwärtigten. Das Objekt schien auf diese Weise bereits vorhandenes Wissen zu stützen, trug seinerseits aber dazu bei, dieses vermeintliche Wissen zu festigen – bis heute.

Foto: © Franziskanermuseum